Echtzeit
stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Das war das Ergebnis …
Ich habe akzeptiert, dass ich einen Blick ins Paradies geworfen habe und dafür von den Torwächtern gleich wieder hinausgeworfen wurde, aber dieser eine Blick hat mir so viel Ahnung geschenkt, was Liebe bedeuten könnte … was Nähe wirklich bedeutet … Hingabe wirklich bedeutet, dass ich einen Leuchtturm erhalten habe. Im Nebel meines irrenden Suchens war dieses einmalige Gefühl der Leuchtturm, der mir die Route gewiesen hat, die mein Herz befahren sollte. Das war das eine Ergebnis … das zweite Ergebnis war: Ich habe erkannt, dass der Mann, mit dem ich wirklich glücklich werden soll, noch irgendwo da draußen herumläuft! Nein! Keine Sorge, Isabell! Ich meine nicht deinen geliebten Stefan! Eben nicht! Auch wenn dich das jetzt zutiefst wundert. Er ist es nicht. Er kann es nicht sein … weißt du, warum? Sonst wäre er bei mir. Dein Busen hätte so rund sein können wie alle Zuckermelonen aus tausendundeiner Nacht, er wäre bei mir geblieben. Weil ich die Einzige für ihn gewesen wäre … wenn ich es gewesen wäre.
So aber war er nur eine erste Ahnung von dem, was in meinem Leben noch auf mich wartet. Da draußen. Irgendwo. Irgendwo da draußen lebt der Mann, mit dem all das möglich ist, von dem mein Herz erkannt hat, dass es dafür bereit ist. Jetzt. Jetzt schon. Jetzt, während ich mit dir rede und »Carlos Primero« trinke, lebt da draußen irgendwo ein Mann. Ein einsamer. Er kann nur einsam sein, weil er zur selben Einsicht gekommen ist wie ich. Er ist zur Einsicht gekommen, dass es keinen Sinn hat, zweitklassige Spiele zu spielen. Er ist zur Einsicht gekommen, dass er nur ein einziges, kostbares Leben zur Verfügung hat. Dieses einmalige, kostbare Leben soll zur Vereinigung führen mit der Frau, die Gott in seiner grenzenlos liebenden Allmacht geschaffen hat, um mit ihm – dem einsamen Mann – glücklich zu werden. Mich. Mich hat Gott geschaffen. Für ihn und umgekehrt. Für ihn, der da draußen irgendwo herumgeht und in die Ferne schaut. Suchend. Ja … das ist seine Realität.
Die Suche … so wie es meine Realität ist. Die Suche. Und wenn man ein wenig von subatomarer Physik versteht, dann weiß man, dass sich diese beiden ähnlichen Kräfte anziehen werden. Früher oder später. Es kommt nur darauf an, nicht ungeduldig zu werden. Und nicht nachzulassen. In der Suche. Die schwierige Balance zwischen Glauben und Resignation ist dauernd zu bewahren.
Ich weiß, dass er genauso enttäuscht ist wie ich. Er kann nur genauso enttäuscht sein wie ich, weil er mich ja noch nicht gefunden hat. Das ist doch völlig logisch. Also treibt es ihn genauso wie mich immer wieder von Neuem in die Suche.
Die Frage ist nur – wo sucht er? Sucht er in denselben Wendy-Burger-Buden wie ich? Geht er dieselben unbekannten Pfade am Stadtrand? Lebt er überhaupt hier in dieser Stadt?
Also ich gebe dem Schicksal jetzt noch einen deutlichen Hinweis. Es wäre sehr praktisch, wenn wir in derselben Stadt lebten, am besten noch im selben Wohnblock. Kleiner Scherz. Nein, was ich damit sagen will, ist: Mach es doch nicht sinnlos schwer, liebes Schicksal. Lass ihn doch einfach durch Zufall – kleiner Scherz – meinen Weg kreuzen. Das wäre das Einfachste für uns alle.
Nachdem ich dem Schicksal also diese einfach zu lösende Aufgabe gestellt habe, widmete ich mich dem Qigong. In einer Gruppe von fünf einsamen Frauen. Wir haben uns drei Mal die Woche getroffen und uns sehr langsam, mit genau vorgeschriebenen Bewegungen bewegt. Zwei Stunden lang. Drei Mal die Woche. Auch gut. Habe ich mir gedacht. Auch gut. Aber jetzt reicht es. Ich möchte den Stier bei den Hörnern packen und von mir aus zu suchen beginnen. Nach ihm. Dem einsamen Mann. Der vielleicht gerade jetzt in irgendeiner Männergruppe sitzt und weinen übt. Das hat mir die Lehrerin unserer Qigong-Gruppe erzählt, dass es so was gibt. Männergruppen, in denen sie lernen, zu weinen. Und Forellen mit der Hand zu fangen. Auf diesen fünftägigen Wochenendseminaren. Dazu fahren sie extra in Naturschutzgebiete.
Also an den Rand von Naturschutzgebieten. Hart an den Rand. Weil mitten im Naturschutzgebiet ist es ja wohl klar, dass man keine Forellen fangen darf. Weder mit der Hand noch sonst wie. Weil die Forelle ist ja auch Natur. Und wo bleibt dann der Schutz? Diese Männer, von denen uns die Gruppenleiterin erzählt hat, treffen sich also im Wald, errichten Zelte und trommeln erst mal.
Das weiß sie deshalb
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