Ecstasy: Drei Romanzen mit chemischen Zusätzen (German Edition)
Büroangestellten in die Sonne. Dann lief sie durch die Straßen von Soho, ging die Carnaby Street zweimal rauf und runter, bis Frustration einsetzte, und nahm dann die U-Bahn zurück zu dem besetzten Haus in Sheperd’s Bush, das sie sich mit einer Gruppe anderer junger Punks teilte, deren personelle Besetzung regelmäßig wechselte.
In der Küche aß ein unglaublich dünner, rothaariger junger Punk aus Schottland mit böser Akne Speck, Eier und Bohnen direkt aus der Pfanne.– Alles klar, Samantha?, grinste er,– Haste Speed dabei?
– Nein, sagte sie knapp.
– Matty und Spud sind los in die Stadt. Ich bin heute Morgen nicht rausgekommen. Total hacke gewesen letzte Nacht. Ich mach mir grad mein Frühstück. Haste Hunger? Er wies mit einem Nicken auf das Essen, das in dem Fett starr wurde.
– Nein … nein danke, Mark, rang sich Samantha ein Lächeln ab. Sie spürte schon die Pickel auf ihrem Gesicht sprießen, wenn sie nur in die Nähe von Marks Bratpfannekam. Die schottischen Typen in der Wohnung waren erst sechzehn, aber sie waren die reine Pest: dreckig, laut und extrem naive Vorstellungen von Musik. Freundlich waren sie ja; das Problem war sogar, dass sie zu freundlich waren: Sie dackelten wie ein Wurf junger Hündchen hinter einem her. Sie ging nach hinten in das Zimmer, das sie sich mit zwei anderen Mädchen, Julie und Linda, teilte, machte den Schwarz-Weiß-Fernseher an und starrte unentwegt auf die Uhr, bis es wieder Zeit zum Ausgehen war.
Sie kam mit zehn Minuten Verspätung im Ship an. Da saß er schon, in der Ecke. Sie ging an die Theke und holte sich ein Glas Cider. Dann setzte sie sich neben ihn. Der Weg bis zu ihrem Platz kam ihr endlos weit vor, und alle Augen im Pub schienen ihr zu folgen. Nachdem sie sein Lächeln erwidert und sich nervös umgeschaut hatte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass anscheinend niemand von ihnen Notiz genommen hatte. Sie tranken zügig und namen unauffällig etwas von dem Speed, das sie dabeihatte, auch wenn sie Schotten-Mark etwas anderes erzählt hatte.
Im Club knüppelte sich die Band an diesem Abend durch ihren Set, während Andreas und Samantha Pogo tanzten bis zum Umfallen. Samantha fühlte sich so frei und ungehemmt, wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Das kam nicht nur von den Drogen und dem Alkohol: Es lag an Andreas und seinem befreienden und ansteckenden Selbstvertrauen und Überschwang.
Sie wusste, dass sie mit ihm nach Hause gehen würde. Sie wollte nicht, dass der Gig endete, und wollte es wieder doch.
Als sie die Straße entlanggingen, wurde Samantha klar, dass ihr Paradies zum Teufel ging, als sie plötzlich einem Trio betrunkener und johlender Skinheads gegenüberstanden.
– Jetzt guck dir die Krüppelparade an!, gröhlte einer.
– Lass die in Ruhe, sagte ein anderer,– ist ja ne Affenschande. Da hast du nichts von.
– Aber süße Titten hat die! Lass ma fühlen, Schätzchen! Der erste junge Skin kam auf Samantha zu.
– Verpiss dich!, schnauzte sie. Dann stand Andreas vor ihr und schnitt dem Kerl den Weg ab.
Das Gesicht des jungen Skins nahm für einen Moment einen unsicheren und zweifelnden Ausdruck an, und für ein paar entscheidende Augenblicke sah es aus, als sei ihm erschreckend bewusst, dass die Dinge für ihn weder erwartungs- noch wunschgemäß laufen würden.– Aus dem Weg, du beschissener Freak!, fauchte er Andreas an.
– Hau ab, sagte Samantha,– ich brauche keinen, der meine Kämpfe für mich austrägt!
Doch Andreas rührte sich nicht. Er blickte seinem Möchtegern-Peiniger fest in die Augen. Er schob langsam und gemächlich seine Kinnlade vor. Es sah beinahe aus, als würde er den unangenehmen Zwischenfall genießen; er schien die Lage völlig zu beherrschen. Offenbar hatte er es mit dem Sprechen nicht eilig, aber als er es tat, tat er es mit langsamer, monotoner Stimme.– Wenn du uns nicht in Ruhe lässt, werde ich dir dein dreckiges Gesicht wegbeißen. Mach dir das klar: Du wirst kein Gesicht mehr haben.
Sein Blick blieb fest. Die Augen des kahl rasierten Jugendlichen tränten und begannen dann zu flackern. Er motzte los, dabei schien ihm aber nur teilweise bewusst zu sein, dass er gleichzeitig zurückwich.
– Komm schon, Tony, scheiß auf den Krautfreak, hauen wir ab, ehe hier noch Bullen aufkreuzen, sagte sein Freund.
Im Weggehen hetzten sie weiter, aber sie taten es in der manischen, trotzig-verzweifelten Weise der Gedemütigten und Besiegten.
Samantha war beeindruckt. Sie kämpfte dagegen an,
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