Ecstasy: Drei Romanzen mit chemischen Zusätzen (German Edition)
mich nicht verletzen?
– Das ist für mich das Wichtigste auf der Welt, sagte ich zu ihr,– So was hab ich noch nie empfunden.
Sie schaute mich an, ganz nachdenklich irgendwie, sagte aber kein Wort. Ich hab eh schon viel zu viel gesagt. Ist die Chemie, weiß ich ja, aber es ist nur das, was in mir drin ist, und es ist mir scheißegal.
Wir fuhren zu ihrer Hütte. Ich kam mir n bisschen blöd vor, als wir da waren, denn da war so n Foto von ihr und nem Kerl. Wo sie noch jünger waren. Das Ding war, er war wie sie, keine verdammten Arme.
– Ist wohl dein Freund, wa?, fragte ich sie. Ich konnte nicht anders.
Sie lachte mich aus.– Bloß weil er keine Arme hat, muss er mein Freund sein?
– Ne, so hab ich das nicht gemeint …
– Das ist ein Deutscher, den ich kenne, meinte sie.
Ein bescheuerter Kraut. Zwei Weltkriege und ne Weltmeisterschaft, du Arschgesicht.– Also, ist er’s nun? Dein Freund?
– Nein, ist er nicht. Er ist nur ein guter Bekannter, mehr nicht.
Ich fühlte, wie mir warm ums Herz wurde, und fing sogar an, den Scheißkraut zu mögen. Ich meine, arme Sau, keine Arme und so, kann ja nicht gerade n Vergnügen sein, wie?
Also redeten wir noch ne Weile, und Samantha erzählte mir n paar Sachen. Sachen über ihre Vergangenheit. Sachen, die mich verdammt in Rage brachten.
New York City, 1982
Für jemanden, der genau da war, wo er sein wollte, nämlich in einem repräsentativen Büro in Midtown-Manhattan, verfolgten Bruce Sturgess hartnäckig ausgesprochen unangenehme Gedanken. Er blickte aus dem Fenster nach Norden auf das herrliche Panorama des Central Parks. Die prachtvollen Türme des Chrysler und des Empire State Building überragten alles und blickten noch auf seine beträchtliche Höhe verächtlich hinab wie zwei missbilligende Nachtclub-Türsteher. Es gab immer noch jemanden, der auf einen herabsah, dachte er mit bitterem Lächeln, egal wie weit nach oben man es gebracht hatte. Sie waren schon außergewöhnlich, diese Gebäude, vor allem das Chrysler im Art-Deco-Stil. Er dachte an Frank Sinatra und Gene Kelly und wie sie die Stadt in On The Town in eine einzige große Theaterkulisse verwandelt hatten. Freiheit, das war es, was New York für ihn verkörperte. Das war abgegriffen und banal, dachte er, aber darum nicht weniger wahr. Nur konnte das Panorama die peinigenden Bilder von Missbildungen nicht vergessen machen, die ihm unerbittlich auf der Seele brannten. So schlimm war es noch nie gewesen. Es trieb ihn dazu, Barney Drysdales Nummer in London zu wählen. Barneys Stimme hatte etwas an sich, eine ungerührte, barsche Unbeirrbarkeit, die Bruce stets beruhigte, wenn ihn solche Sorgen quälten.
Barney Drysdale war in seiner Wohnung in Holland Park mit Packen beschäftigt und nicht gerade begeistert, als er das Telefon klingeln hörte.– Was denn nun schon wieder?,stöhnte er gereizt. Barney war mitten im Aufbruch zu einem langen Wochenende in seinem Cottage in Wales, mit dem er den großen, semipermanenten Umzug der ganzen Familie dorthin im nächsten Monat vorbereiten wollte.
– Ja, bitte …
– Alter Knabe!, grüßte Bruce beinahe spöttisch.
– Bruce! Barney lachte, und seine Laune hob sich beim Klang der Stimme seines alten Freunds,– Alter Schwede! Wie behandeln sie dich in Yankeeland?
Sturgess ließ ein paar Banalitäten ab. Ja, es war gut, Barneys Stimme zu hören. Nur als sein alter Freund Philippa und die Jungen erwähnte, schwang leichte Frostigkeit in seiner Stimme mit. Er kam mit Philippa nicht gut aus. Die Jungs hatten sich in ihrem neuen Heim in Long Island gut eingelebt, aber sie hasste Amerika. Ihre anfallartigen Einkaufsexpeditionen zu Bloomingdale’s oder Macy’s konnten ihre wachsende Unzufriedenheit nicht mildern. Sturgess dagegen liebte New York. Er liebte die Anonymität, die er genoss, solange er noch nicht zu viele Kontakte geknüpft hatte, was sich bald ändern würde. Er liebte die Clubs. Er dachte an den Jungen, den er letzte Nacht auf dem Klo dieses herrlich verrufenen Clubs im East Village gefickt hatte …
– Du hast mich in einem schlechten Moment erwischt, alter Knabe, erklärte Barney,– ich will dieses Wochenende mal so richtig Männerurlaub machen.
Genau das, mein Lieber, sinnierte Sturgess und rieb sich den Unterleib, während er aus dem Bürofenster auf die aufragende Skyline Manhattans blickte, habe ich auch vor.
– Ist ja großartig, sagte er.
Ist ja großartig, dachte er. Aber er war beunruhigt. Missbildungen und die
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