Ed King
nur gut zahlte, sondern obendrein Freikarten verteilte. Da sie selbst nicht kochte, vergab sie die Essenszubereitung an einen Caterer aus den Gelben Seiten, und da sie das Geld brauchte, verkaufte sie die Freikarten weiter. Die Konstruktion war okay, brachte aber immer noch zu wenig ein, sodass sie den Basketballer über seinen Assistenten bat, sie beim Rest der Mannschaft zu empfehlen. Das tat er auch, oder zumindest sagte der Assistent, er hätte es getan. »Sicher«, dachte Diane. »Er hat mich weiterempfohlen – ganz bestimmt.« Der Basketballstar war so sehr mit sich selbst beschäftigt, mit seinen Yoga-Übungen für eine lange Karriere, der ballaststoffreichen Kost, seiner hirnlosen Rap-Musik und den durchtrainierten Tussis, mit denen er sich umgab, dass sie genau wusste: Sie war Luft für ihn. Es hätte ihr von Anfang an klar sein müssen, weil er Diane gleich bei ihrer ersten Begegnung erklärt hatte, sie werde mit seinem persönlichen Assistenten zusammenarbeiten. Danach hatte er mit ihr nur noch wie mit einer Aushilfe gesprochen. Einmal war er ihr morgens in der Küche begegnet und hatte nur gesagt: »He, kann ich heute Mittag pochierte Hähnchenbrust bekommen?« Diane schlug seinen Namen in der Bücherei nach. Er war einunddreißig und hatte zwei Jahre in Italien gespielt, was seine Schwäche für Frauen erklären mochte, die wie römische Nutten aussahen. Sie gab den Auftrag an den Caterer weiter: Hähnchenbrust zu Mittag. Es war beschämend. Der Assistent war ein dummer Schnösel von Anfang zwanzig. Er zog Diane damit auf, dass Prinz Charles sich bei einem Polo-Match den Arm gebrochen hatte. »Wie bitte?«, fragte er. »Meinen Ihre Leute das ernst? Wie war das? Prinz Charles ?« Danach gab er die Einkaufsliste an sie weiter: Maisschrot, frischer Lachs, brauner Reis und so weiter. »Mein Chef möchte mageren Schinken zum Frühstück«, erklärte er, oder: »Sehen Sie sich bitte nach anderem Brot um, das Weizenbrot hat zu wenig Mumm.«
Einfach nur großartig. Vom Regen in die Traufe. Sie musste Geld für einen Besuch beim Augenarzt ausgeben, weil sie die Nährwerttabellen auf den bevorzugten Lebensmitteln ihres Basketballers nicht mehr lesen konnte. »Es ist so weit«, erklärte man ihr in einem abgedunkelten Raum. »Das Auge verliert allmählich seine Elastizität, und dann ist es Zeit für eine Lesebrille.« Zum Spaß ging sie zu einem Optiker, der ihr viel über die Geometrien von Sehhilfen erzählte und wie ein Gestell die Tönung der Haut komplementieren oder aufnehmen könne. Aber natürlich spielte das alles keine Rolle, weil Diane gar kein Geld für eine modische Brille hatte. Der Besuch beim Optiker war reiner Zeitvertreib, obwohl es letztlich auch deprimierend war, so nahe vor einem Spiegel zu sitzen. Es war besser, unter diesen Umständen nicht zu genau hinzusehen. Bei Licht besehen ließen sich nach dem Duschen die Beulen an ihren Oberschenkeln nicht mehr leugnen. Zellulitis, altersbedingte Sehschwäche, Hähnchenbrust für einen Idioten bestellen – jeden Tag ein neuer Tiefpunkt.
Diane ging zu einem Naturkostladen, weil ihr Supersonic-Star Multivitamintabletten, Glutamin und Ginkgo-Biloba-Extrakt brauchte. Im Eingangsbereich hing eine Tafel mit Kleinanzeigen, auf der sie auf einem handgeschriebenen Zettel ihre Dienste als Hundebetreuerin anbot. Als sie kurz daraufblickte, bemerkte sie, dass nicht einer der Abreißzettel mit ihrer Telefonnummer fehlte, die sie mit einer Nagelschere am unteren Rand eingeschnitten hatte. Vermutlich lag es mit daran, dass jemand eine ihrer Heftzwecken herausgezogen und damit seine eigene Visitenkarte angepinnt hatte, und zwar direkt über Dianes Anzeige. »Tut mir leid«, murmelte Diane, »aber so läuft das nicht.« Dann zog sie die Heftzwecke heraus und entfernte die Karte. »Jeder kämpft für sich allein«, dachte sie. »Ich kann mir kein Mitleid erlauben.«
Sie nahm die Visitenkarte mit. Jemand bot darauf seine Dienste als »Lebensberater« an. Unter dem Schriftzug CHRYSALIS stand: »Finanzplanung? Kindererziehung? Karriere? Spiritualität? Ich helfe Ihnen bei der Bewältigung Ihres Alltags.« Es folgten ein Name, eine Telefonnummer und der Hinweis »Zertifizierter Lebensberater«.
Diane legte verschiedene Nahrungsergänzungsmittel in ihren Einkaufskorb und schüttelte ungläubig den Kopf über das Wort Lebensberater. Was sollte das sein? Gab es das überhaupt? »Lebensberatung«? In der Bücherei entdeckte sie den Eintrag »Lebensberatung« in den
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