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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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diese Erkenntnis ihren Ehrgeiz. Sie würde nicht wie ihre Mutter werden! Also entwarf sie eine Anzeige: Führe Ihren Hund aus. Nicht dass sie irgendein Interesse daran gehabt hätte, anderer Leute Hunde spazieren zu führen, aber sie wusste, dass es eine Möglichkeit war, an Leute mit Geld heranzukommen. Sie machte Handzettel und heftete sie an Telefonmasten. Sie hängte sie in Supermärkten und Tierarztpraxen aus, wenn die Besitzer nichts dagegen hatten. Schließlich hatte sie einen Kunden gefunden. Vom Occidental Grand Hotel in Cozumel zu jemandem, der für ein Taschengeld mit fremden Hunden Gassi ging! Hier lief sie nun mit einem verhätschelten Köter an der Leine durch ein Viertel, in dem zu wohnen sie sichnicht leisten konnte. Bald kamen neue Kunden hinzu, deren Hunde ihr Vögel, Eichhörnchen, Hinterhältigkeit und Jähzorn näherbrachten. Einige Tiere hörten nicht auf ihre Kommandos und provozierten sie mit ihrem ständigen Gezerre zu Gewaltausbrüchen. Andere reizten sie mit ihrem ständigen Schnüffeln und Pinkeln. Sie wollte vorankommen, ihre Runde laufen und ihr Geld bekommen, anstatt an jeder Ecke neben einem pinkelnden Hund Wache zu stehen. Ihr eigentliches Ziel war natürlich, mit Geld in Kontakt zu kommen, in der Hoffnung, dass irgendetwas davon bei ihr hängen bliebe. Wenn sie die Tiere zurückbrachte, sagte sie Sätze wie »Ein herzensgutes Tier«, »So ein liebes Mädchen« oder »Wir hatten viel Spaß miteinander« und kehrte als Gratisbeigabe ihren englischen Akzent besonders hervor. Aber was brachte ihr das ein? Jetzt, da sie kein junges Mädchen mehr war? Zur Belohnung durfte sie einmal in der Woche gegen Bezahlung einen Windhund waschen. Sie bekam einen Eingabecode für ein automatisches Tor und einen weiteren für einen Nebeneingang, von wo aus sie über eine Hintertreppe hinter dem geifernden, ausgemergelten Tier herlief, vorbei an einem Treppenabsatz mit moderner Kunst, einem Ankleidezimmer, noch mehr Kunst, einem Tischchen für frische Blumen, bis sie in ein Bad mit Bidet gelangte, in dem der Windhund schon auf sie wartete. Diane gefiel der verstohlene Blick auf den Reichtum anderer Leute, aber sie hatte keine Lust, das mächtig sabbernde Tier anzufassen, das zudem wenig Gefallen an einem Bad zu finden schien. Um es in die Wanne zu bekommen, warf sie einen Hundekeks hinein. Während er ihn schmatzend verschlang, drehte sie das Wasser auf. Der Wasserstrahl faszinierte den Hund. Er starrte ihn schnaubend an, und sie bespritzte sein Fell mit teurem Shampoo. Nachher warf sie ihm ein Badetuch über den Rücken, damit er sich nicht schüttelte und Diane anschließend so roch wie er. Die ganze Prozedur war widerlich. Tiefer ging’s nicht. Der Abschaum vom Abschaum. Ein Sklavendasein.
    Wenig später geriet sie an einen arthritischen Boston Terrier, der physiotherapeutische Übungen machen musste. Jon-Jon gehörte einem pensionierten Ehepaar, den Jamisons, die das gerne machten, aber zwischendurch auch einmal eine Pause brauchten. Die Jamisons waren offenherzige Demokraten, die beide ein eigenes Arbeitszimmer hatten,von wo aus sie im Namen des Sierra Club für den Umweltschutz kämpften. Dianes Aufgabe bestand darin, mit Jon-Jon auf dem Schoß im Wohnzimmer vor dem Fernseher zu sitzen und ihm eine Dreiviertelstunde lang seine dürren Beine zu massieren. Nach ihrem zweiten Besuch wurde sie auf eine Tasse Tee eingeladen, und bei Tee, Weintrauben, Gebäck und Käse hörte sie den Jamisons zu, die von Ferienhäusern in den Cotswolds schwärmten. Mr Jamison sagte, er und Mrs Jamison seien ganz vernarrt in Wales. Mrs Jamison sagte, vor zwölf Jahren hätten sie eine Wanderung durch die schottischen Highlands gemacht. Nach zwei Wochen holte Diane ihre Wäsche aus der Reinigung und nach einem Monat ihre Medikamente von der Apotheke. Sie schickten sie zum Weinhändler, zum Käseladen, zum Bäcker, zum Fischhändler und zu einem Krämer. Außerdem ging sie mit dem Hund zum Tierarzt. Sie trug ihn in einer Plastikbox, die mit einer karierten Decke ausgepolstert war. Das alles war schön und gut, nur brachte es sie nicht weiter. Die Jamisons spendeten für alle möglichen Hilfsprojekte, aber Diane gehörte nicht dazu. Sie konnte so freundlich sein und sich ihnen andienen, wie sie wollte, es würde ihr Leben nicht grundsätzlich ändern.
    Dann fand sie durch Zufall ein neues Betätigungsfeld. Irgendwie gelang es ihr, sich um die Mahlzeiten eines Basketballers der Seattle Supersonics zu kümmern, der nicht

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