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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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und die ehemalige Mrs Cousins, die ihn auf getrennten Leitungen rüde abfertigten, auch wenn sie ihre Namen nicht nannten. Die männliche Stimme schloss mit einer Tirade: »Ich weiß, was Sie vorhaben. Versuchen Sie es nicht noch einmal. Streichen Sie uns von Ihrer Liste«, und die Frauenstimme ergänzte nicht weniger unerschrocken, wenn auch nicht an Ed, sondern an ihren den unerwünschten Anrufer abwimmelnden Ehemann gewandt: »So etwas müsste verboten werden.« Dann legten beide auf.
    Die schlichte Sorge um den Schutz der eigenen Privatsphäre schien Eds Mission erst einmal aufzuhalten. Die Information, die er unbedingt brauchte, lag in den Händen zweier älterer Mitbürger, die keine Anrufe von Fremden entgegennahmen. Ihrer konzertierten Aktion nach zu urteilen, hatten sie ein Schild mit der Aufschrift ZUTRITT FÜR ANWÄLTE VERBOTEN im Vorgarten, unterstützt von einem wachsamen Dobermann. Wie konnte er die McElvoys zum Einlenken bringen? Sie waren vorgewarnt und bereit, ihr Heim standhaft zu verteidigen, ein Instinkt, dachte Ed, der sich bei Menschen in den besten Jahren in Warnmeldern, Türspionen, Sicherheitsketten und doppelten Fensterriegeln niederschlug. Es war zum Lachen. Nach allen seinen Anstrengungen wurde er nun von der Robinsonliste gestoppt, die Pythia selbst unterstützt hatte, um von seinen eigenen zahllosen Übergriffen abzulenken. Sofern man kein Bauerntölpel, starrsinniger Greis, Technikfeind oder einer von den Google-Leuten war, war Pythia immer schon bei einem zu Hause.
    Aber wie kam er ins Haus der McElvoys? Dabei wollte Ed doch nur die ehemalige Mrs Cousins fragen, ob sie wisse, wen ihr Ex-Gatte außer ihr selbst noch geschwängert hatte. Fiel das bereits unter Aufdringlichkeit? Technisch gesehen vielleicht. Doch dann hatte Ed eine Idee.
    Er rief Toby auf der zweiten Leitung an. »Tobe«, sagte er. »Du machst deine Sache großartig. Du solltest dafür einen Oscar bekommen. Aber hör zu: Du bittest Chris Shepard jetzt, ihre Mutter anzurufen. Sag ihr, du legst auf und sie soll sofort ihre Mutter anrufen und ihr sagen, dass du, Toby Dahl, sich gleich bei ihr meldest. Toby Dahl, Shepards Halbbruder, möchte unbedingt mit Mrs McElvoy-Cousins sprechen und wird sie in ein paar Minuten anrufen. Hast du verstanden? Chris Shepard soll uns sozusagen den Weg ebnen und uns anmelden.«
    »Was für ein Riesenspaß. Danke, dass ich mitmachen darf.«
    »Gern geschehen«, sagte Ed.
    Einige Minuten später, nachdem Eds Anweisungen ausgeführt worden waren, wählte er ein weiteres Mal die Nummer der McElvoys und sagte: »Hier spricht Toby Dahl. Ihre Tochter hat gerade bei Ihnen angerufen und mich angekündigt.«
    Wieder mussten beide McElvoys abgenommen haben, denn jetzt hörte Ed, wie die Frauenstimme, die er von seinem ersten Anruf wiedererkannte, leise sagte: »Reggie?« Anders als zuvor klang sie jetzt nicht bestimmt, sondern höflich und fragend.
    »Schon gut, Lydia«, erwiderte Reggie und legte auf. Dann wartete die ehemalige Mrs Cousins einen Augenblick und sagte: »Sie können auch Lydia zu mir sagen. Es tut mir leid, dass wir Sie für einen unerwünschten Anrufer gehalten haben.«
    »Hat Ihre Tochter Ihnen von mir erzählt?«
    »Tina hat alles ganz genau erklärt, wie sie das immer tut. Wir wissen Bescheid.«
    »Tina?«
    »Christine. Meine Tochter. Sie spricht alles ganz offen und ehrlich aus.«
    Für Ed klang das weniger nach mütterlichem Stolz als nach einer spitzen Bemerkung über die Neurose eines erwachsenen Kindes oder bestenfalls nach einer Mischung aus beidem. Und es klang ebenso nach einer dieser unverfänglichen, abwehrenden, nüchternen Bemerkungen, mit denen man ein Gespräch in seichte Bahnen lenkt. Ed machte bereitwillig mit. »Das kann ich bestätigen. Ganz und gar offen. Tina war wundervoll.« Obwohl er den Ausdruck »wundervoll« hasste.
    »Sie meint es immer gut.«
    »Das habe ich gespürt«, sagte Ed. »Ihre guten Absichten. Bei manchen Leuten spürt man das sofort. Ich bin so froh. Von ganzem Herzen. Und hören Sie, ich bin nicht böse wegen unseres … Missverständnisses. Es war meine Schuld. Ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Was die Tricks angeht, mit denen Anwälte geschützte Telefonnummern zu umgehen suchen, so denke ich genau wie Sie. Immer wachsam sein.« Zuerst wollte er »extrem wachsam« sagen, besann sich aber eines Besseren. »Nun«, sagte Ed. »Tina hat Ihnen alles erklärt. Sie wissen also, wer ich bin. Oder in welchem Verhältnis ich zu Ihnen

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