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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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stehe. Sie ahnen vielleicht, warum ich Sie heute Abend anrufe.«
    »Allerdings. Mein früherer Mann, Walter, ist anscheinend Ihr Vater, richtig?«
    »Anscheinend.«
    »Lassen Sie mich gleich sagen, dass dies kein schlechter Genpool ist. Drei Personen aus Walters Familie sind über einhundert Jahre alt. Eine Tante ist hundertundsechs. Ich glaube auch, dass von den Männern kaum jemand seine Haare verliert, also haben Sie auch damit Glück. Hat Tina Ihnen von Walter erzählt?«
    »Ja«, sagte Ed. »Kurz.«
    Ed hörte ein Schnauben am anderen Ende der Leitung. »Es ist wirklich sehr schade, dass Sie ihm nie begegnen werden. Ihrem Vater. Hat sie Ihnen gesagt, dass er Versicherungsstatistiker war? Auch das liegt bei einigen Cousins in den Genen. Das sind Mathe-Genies. Was ich von mir nicht behaupten kann. Walter hatte diesen Party-Trick. Er konnte auf Anhieb Quadratwurzeln ziehen. Jemand nannte eine Zahl, und Walter sagte auf Kommando die Quadratwurzel. Das war seine große Stärke. Zahlen. Die Mathematik. Dafür hatte er eine echte Begabung. Traurig ist, dass er letztlich nichts daraus gemacht hat. Walter hat sich zu sehr ablenken lassen.«
    »Ablenken?«
    »Durch seine Frauengeschichten«, sagte Lydia, »um es ganz offen zu sagen.«
    »Ich möchte Sie nicht unnötig lange aufhalten«, sagte Ed. »Aber ich würde gerne noch wissen, wer meine Mutter war. Genau deswegen rufe ich an. Ich möchte herausfinden, wer meine Mutter war.«
    »Jetzt kommen wir zum interessanten Teil«, sagte Lydia. »Ich glaube, ich kann Ihre Frage möglicherweise beantworten, aber eins muss ich vorher noch wissen. Wie alt sind Sie, Toby?«
    »Vierundfünfzig.«
    »Sie sind also … 1963 geboren. In welchem Monat?«
    Ed dachte an die Adoptionsunterlagen, die er in Portland eingesehen hatte, und sagte: »Im April.«
    »April«, sagte Lydia. »August, September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April. Sehen Sie? Mit den Monaten kenne ich mich aus.« Sie gluckste leise, ein wehmütiges Anerkennen ihres Alters. »Nun«, sagte Lydia. »Es passt alles zusammen. Sie wurden im Sommer 1962 gezeugt. Wo war Walter im Sommer dieses Jahres? Walter hatte sich an ein Mädchen herangemacht, die bei uns im Hausals Au-pair arbeitete. Ich wage zu behaupten, dass dieses Mädchen Ihre Mutter ist. Tatsächlich hat sie mir Jahre später einen Brief geschrieben, in dem sie von dem Verhältnis mit Walter berichtete und mir mitteilte, sie hätte ein Kind von ihm. Dieses Kind müssen Sie sein. Es mag sich vielleicht etwas merkwürdig anhören, aber das ist eine gute Nachricht für Sie, eine sehr gute sogar, denn Ihre Mutter ist eine der reichsten Frauen der Welt. Sie sind möglicherweise geradewegs auf eine Goldmine gestoßen.«
    Ed konnte einen Moment lang nichts sagen. Zum ersten Mal auf seiner langen Suche nach einer Antwort war er sich nicht sicher, ob er noch mehr erfahren wollte. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich er selbst sein wollte. Er war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit wissen wollte. Aber es war nur ein kurzes Zögern. Natürlich wollte er es wissen. Er wollte den Weg bis zu Ende gehen, was immer dabei herauskam – die Wahrheit, nichts weniger. Mit diesem Gedanken im Kopf schloss er die Augen und fragte: »Wer ist meine Mutter?«
    »Diane King«, lautete die Antwort. »Verheiratet mit Ed King. Ed King, dem König der Suchmaschinen.«
    Diane war fort. Sie hatte gesagt, sie wolle zu Bett gehen, weil sie sich nicht wohlfühle, aber ihr Bett war leer. Das Bett, in dem sie seit Jahren … Unmöglich. Das konnte nicht sein. Inzest? Erst Vatermord, und jetzt das? Lächerlich, dachte Ed. Vatermord und Inzest! Er rief beim Sicherheitsdienst an und erfuhr, dass Diane das Haus um sechs Uhr vierzig mit einem kleinen Koffer verlassen hatte. Ein Fahrer hatte sie zum Flugplatz gebracht, wo sie eine der beiden Gulfstream-Maschinen bestiegen hatte, die sie zu ihrem Schloss nach England bringen sollte. Guido Sternvad sei ihr Pilot. Die Maschine befand sich gerade über Manitoba. »Verbinden Sie mich mit ihnen«, befahl Ed. Sekunden später saß er vor seinem Computer und redete mit Guido, seiner schwafelnden Nemesis.
    »Guido«, sagte er, »gib mir Diane.«
    »Ich kann nicht«, antwortete Guido. »Tut mir leid.«
    »Guido, nicht jetzt, Schluss mit dem Theater. Ich habe keine Zeit für Spielchen. Das ist ein Notfall. Und jetzt gib mir Diane.«
    »Tut mir leid«, wiederholte Guido. »Wirklich, Sir. Ich würde es tun, wenn ich könnte. Ganz

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