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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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war – aber war Eddie denn wirklich das Kind anderer Leute?Machte es wirklich einen Unterschied? In einer tieferen, ihre inneren Empfindungen betreffenden Weise? Wie hatte Rabbi Weisfeld gesagt: »Wer das Kind eines anderen großzieht, wird so betrachtet, als hätte er es selbst in die Welt gebracht.« – »Jetzt verstehen wir den Satz«, sagte Dan zu Alice. »Und es fühlt sich so an, als ob es immer schon so hätte sein sollen.«
    Vielleicht hatte dies alles einen segensreichen Einfluss auf Dans träge Spermien. Vielleicht lag es auch daran, dass Dan und Alice an einem Dezemberabend auf dem Fußboden lagen, Alice auf zwei unter die Hüfte geschobenen Kissen, und gleichzeitig kamen. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass sie anschließend, nachdem Dan in die Küche gegangen war und eine Schale Müsli gegessen hatte, allein und entspannt noch eine halbe Stunde in der Nähe der warmen Heizung auf dem Rücken liegen geblieben war, die Beine hochgestellt. Was auch immer es war, es geschah ein Wunder: Vierzehn Monate nach der Adoption ihres Sohnes brachte Alice per Kaiserschnitt einen weiteren Jungen zur Welt, dem sie und Dan den Namen Simon Leslie King gaben, nach Alice’ Onkel Shimmel und Dans Großvater Eleazar.
    Wieder machten die Kings sich gehorsam auf den Weg nach Kalifornien, diesmal aber, weil sie zwei Kleinkinder dabeihatten, mit Western Airlines. In Pasadena beharrte Dans Mutter darauf, dass »Shimmel« wie Dan aussähe, aber mehr noch wie ihr Bruder Morton in Atlantic City. Dans Vater sagte: »Du bist verrückt, Beryl, er hat überhaupt nichts von deinem dusseligen Bruder. Sieh dir doch nur seine Finger an. Mit solchen Fingern wird er ein Isaac Stern mit einem Konzert in der Carnegie Hall oder ein Sandy Koufax mit seinem Fastball oder irgendein anderes Ass, aber vergleiche ihn bitte nicht mit Morton, das bringt Unglück über ihn.«
    In San Jose hielt Pop Simon auf dem Schoß und nahm ihn kritisch in Augenschein. »Dieser hier«, sagte er, »kommt ganz nach deiner Mutter, Alice. Die gleichen Augen, und siehst du die Ohrläppchen? Genau wie bei deiner Mutter. Ich kann es nicht glauben. Er gleicht so sehr deiner Mutter, dass ich ihn immer nur anschauen möchte. Hat man so etwas schon gesehen? Edeleh, wie gefällt dir dein kleiner Bruder? Was für ein Glück, dass du jetzt jemanden zum Spielen hast.«
    Dieses Mal brauchten sie keine Babynahrung zu kaufen, weil die Milch bei Alice so stetig und reichlich floss, dass sie von selbst in den Still-BH lief. Wenn sie mit Dan schlief, waren ihre Brüste wie zwei tropfende Wasserhähne. Wenn sie auf ihm lag, drückte er Milch aus ihren Brustwarzen, als wären es Wasserpistolen. Alice war froh darüber, dass er nach wie vor gerne mit ihr schlief, weil sie nach der Schwangerschaft an den Hüften, am Hintern und an den Oberschenkeln kräftig zugelegt hatte. Sie hatte Fettpölsterchen. Sie hatte Orangenhaut. Das Gute an ihrer allgemeinen Ausdehnung waren jedoch ihre großen Brüste, die Dan sexy fand. Wenn sie etwas mit einem tiefen Ausschnitt trug, leuchtete ihr Dekolleté, als wäre darin eine Lampe versteckt, und im View Ridge Swim Club schienen ihre riesigen Brüste aus dem Top ihres Badeanzugs herausspringen zu wollen. Alice fühlte sich wie Marilyn Monroe und ließ sich sogar beim Friseur ein paar kinnlange Locken wie Marilyn machen.
    Zwei Kleinkinder bedeuteten doppelte Anstrengung. Dennoch empfanden Dan und Alice ein Hochgefühl, das trotz einiger Rückschläge auf eine seltsame, magische Weise anhielt. Als Eddie seine ersten Schritte machte, sagte Dan im Tonfall von Jimmy Durante: »Das ist mein Junge!«, und machte Fotos, während Alice das Ereignis in einem Erinnerungsalbum festhielt. Tatsächlich wurden Eddies und Simeys neu erworbenen Fähigkeiten und Triumphe sämtlich mit dem gleichen Jubel festgehalten und den Großeltern am Telefon übermittelt. Kalifornien bekam Nachricht, wenn einer der Jungen einen rechtwinkligen Bauklotz in ein rechteckiges Loch steckte, einen halbwegs rhythmischen Trommelwirbel schlagen konnte, zum ersten Mal die Toilette benutzte, sein Hemd auszog und seinen Bizeps vorführte oder einen Purzelbaum schlug. Wenn Eddie in seinem Hochstuhl thronte, das Gesicht voller Spaghettisoße, wurde ein Schnappschuss nach Kalifornien geschickt, zusammen mit anderen Fotos von Eddie und Simey im Park, im Pool, im Garten unter dem Rasensprenger, im Vorgarten mit roten Baseballschlägern aus Plastik in der Hand, auf Dans Arm, auf Alice’ Arm,

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