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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Meilen machten sie ihrem Ärger über ihre beiden Familien Luft, lachten über die hoffnungslos veralteten Ansichten ihrer Eltern und waren zugleich wütend, weil sie immer alles besser zu wissen glaubten. Nachdem das Thema erschöpft war, redeten sie während der nächsten zweihundert Meilen über Adoption, als gäbe es eine Deadline, und entschieden sich dafür, nicht zuletzt weil ihre Eltern es ihnen so schwer machten und weil ihre Bedenken gegen eine Adoption so lächerlich waren. Zur Bekräftigung ihres Entschlusses schliefen sie an diesem Abend im Motel miteinander. Sie hatten eine klare Überzeugung, empfanden Wut und den Willen, ein Zeichen zu setzen. Sollten ihre Eltern denken, was sie wollten, sollten sie sich von Traditionen und Vorbehalten, von vererbtem Kleinmut und der Angst vor dem Unbekannten einschnüren lassen – sie, Dan und Alice, würden ein Kind adoptieren.
    Zu Hause setzten sie das Verfahren unverzüglich in Gang. Sie wurden genauestens durchleuchtet, verbrauchten Unmengen von Papier und mussten, wie Dan meinte, jede Menge Unsinn mitmachen. Sie mussten unzählige Fragen beantworten, Formulare ausfüllen und geduldig warten, während sich unsichtbare Räder in Bewegung setzten. Sie gewöhnten sich daran, dass alles in winzigen Schritten voranging und nach jedem erst einmal eine Rechnung kam. In der Zwischenzeit unternahm Alice alles, um das Adoptionsverfahren zu beschleunigen. Sie las Untersuchungen und Ratgeber. Als Dan sich über die immer neuen Formulare beklagte, sagte Alice, Leute, die ihren Adoptionswunsch aufgäben, weil das Verfahren so bürokratisch und obendrein teuer sei, könnten niemals gute Eltern abgeben, und wenn Dan sich über die »Hausbesuche« beschwere und jemanden, der sich nur ein wenig vor Ort umsehen wollte, wie einen Eindringling behandle, nun, so Alice, es gebe viele andere Paare, die Kinder wollten. Dan gab widerstrebend nach und überließ Alice die Details, bis auf das Bezahlen der Rechnungen, über die er sich ebenfalls ereiferte. Zumindest wisse er jetzt Bescheid. Dennoch fühlte er sich nach zwei langen Monaten hartnäckiger Anstrengungen und zur selben Zeit, als Alice sich an dem Rosenstrauch vor dem Kinderheim in den Finger stach, für seine Mühen entschädigt, als er sich genau wie seine Frau in seinen adoptierten Sohn verliebte.
    Auf der Rückfahrt von Portland mit ihrem Wunderkind im Wagen probierten Dan und Alice alle möglichen Namen aus. Zuletzt entschieden sie sich für Edward Aaron King, nach ihrer Mutter, Eidel, und seinem Großvater, Avrom, aber auch – und das blieb ihr Geheimnis – weil Elvis mit zweitem Vornamen ebenfalls Aaron hieß und ganz besonders Dan ein großer Elvis-Fan war.
    Am nächsten Tag fuhr Dan zur Klinik in Seattle, mit der er zusammenarbeitete, nahm den Aufzug zur Entbindungsstation und holte sich ein Formular zur Geburtsbescheinigung. Darin trug er ein, dass Edward Aaron King das leibliche Kind von Alice und Daniel King war, und setzte die unleserliche Unterschrift eines Geburtshelfers darunter, die in der Kartei häufig vorkam. Nachdem er die Bescheinigung per Post an das Gesundheitsamt von Seattle und King County, Abteilung Bevölkerungsstatistik, geschickt hatte, rief er Alice an, die ihm erklärte, sie habe den ganzen Vormittag über noch keine freie Minute gehabt. Als Erstes hatte sie am Morgen auf den Rat einer Freundin hin warme Babynahrung aus der Flasche auf ihre Brust geträufelt und sie langsam für Eddie in Richtung ihrer Brustwarze kullern lassen. Eddie habe gierig sein Fläschchen getrunken, aber in den Pausen habe sie immer wieder ihren Warzenhof mit Nahrung bestrichen und ihm ihre Warze in den Mund gesteckt, damit er daran sauge. Sie verschwieg Dan, dass die Prozedur ihr eine Gänsehaut verschafft hatte. Es war ein bisschen so, wie einen nur zögernd anbeißenden Fisch an die Angel zu bekommen. »Nur zu, so ist es richtig, braver Junge«, ermunterte sie ihn. »Mami ist so traurig, dass sie keine eigene Milch für dich hat.« Oder sie sagte: »Was bist du nur für ein bezaubernder kleiner Kerl«, oder: »Weißt du, dass Mami dich liebhat und immer liebhaben wird, mein kleiner Eddie, egal, was passiert?«
    Zu ihrer eigenen Verwunderung entdeckte Alice, dass sie gerne Eddies Windeln wechselte. Sie liebte es, sobald sie ihn saubergemacht und gepudert hatte, zärtlich zu Eddie zu sprechen, während er nacktauf dem Wickeltisch lag, und ihm zu sagen, wie wunderschön er sei. Ihm die Windeln anzulegen und dabei ganz

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