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Ed King

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Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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und einem verhältnismäßig großen Campus. Walter machte Barrys Wohnheimzimmer ausfindig, aber Barry war nicht da, und keiner der verdrucksten Bewohner, denen Walter auf Etage drei oder sonst wo begegnete, wusste etwas über seinen Verbleib. Walter ging zurück zum Wagen und setzte sich auf den Beifahrersitz. Dann lehnte er sich bei geöffnetem Fenster zurück und beobachtete hinter seiner Sonnenbrille junge Studentinnen. »Keine von denen würde sich mit mir abgeben«, dachte er. »Ich bin zu alt.« Andererseits fühlte die Sonne sich gut an, und goldenes Spätsommerlicht durchflutete den Campus. Die jungen Leute waren sympathisch. Die Luft war klar. Dennoch kein Zeichen von Barry, sodass Walter nach einer Weile zurück ins Wohnheim ging und sein Anliegen beim Bauernburschen im Büro vorbrachte, der bloß Walters Führerschein anstarrte und auf einer leeren Pepsi-Dose herumtrommelte. Walter beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen, und fragte, ob es im Haus einen Aufbewahrungsraum gebe. »Eigentlich nicht, aber ich denke, Sie können Ihr Zeug so lange hier im Büro abstellen«, entgegnete der Junge und kicherte nervös.
    Während er sich fragte, warum ausgerechnet er die ganze Schlepperei erledigen musste, schaffte Walter Barrys Krempel ins Haus, ließ aber die Dose mit Keksen im Wagen. Dann setzte er sich in einen Aufenthaltsraum und sah sich mit zwei verkaterten Cougars-Spielern Golf im Fernsehen an. »Nicht ganz auf der Höhe heute, wie?«, fragte er. »Hmm«, antwortete einer der beiden. Später fragte er noch einmal: »Gestern ordentlich einen draufgemacht?«, worauf der andere erwiderte: »Und wie.« Ansonsten ignorierten sie Walter so demonstrativ, dass er sich wie ein Störenfried vorkam. Das und das Warten, die lange Fahrt, der begriffsstutzige Knabe im Büro weckten in Walter eine dunkle Wut. Wo war Barry? Was ging hier vor? »Ich bin doch kein Bringdienst«, dachte er, »und ein pünktlicher Empfang und vielleicht sogar ein Zeichen von Dankbarkeit stehen mir zu, dafür, dass ich die ganze weite Fahrt hierher auf mich genommen habe.« Dann stand er auf und steckte Münzen in einen Fernsprecher. »Genau das meine ich«, erklärte er Lydia.
    »Versuch’s mit Geduld.«
    »Ich bin geduldig.«
    »Du klingst aber nicht geduldig, Walter.«
    »Du achtest schon wieder mehr auf den Ton meiner Stimme als auf das, was ich sage.«
    »Trotzdem bist du immer ungeduldig. Nicht nur jetzt.«
    »Wo ist Barry?«
    »Geduld.«
    Walter fuhr in der Gegend herum, bis er ein Café entdeckte, wo er ein Hamburger-Sandwich aß und die Campus-Zeitung überflog. Das Layout war dilettantisch, und die meisten Artikel enthielten keine Nachrichten, sondern bearbeiteten den Leser mit unreifen Ansichten, die sich als der Weisheit letzter Schluss ausgaben. Mit mäßigem Interesse blätterte Walter durch »Neues vom Campus« und die Leserbriefseite, bis er bei »Kunst und Unterhaltung« landete. Im Aufmacher wurden zwei Filme besprochen, Babyspeck und Fleischklößchen mit Bill Murray und Roger Moore in Moonraker . Walter wünschte, er hätte eine andere Zeitung.
    Doch dann entdeckte er in der unteren Ecke von Seite acht einen Hinweis auf einen Battle of the Bands im Ensminger-Pavillon an diesem Abend, bei dem unter anderem DeathTrap auftrat, eine Band, die »intelligenten, vielfältige Einflüsse verarbeitenden Hardcore« spiele.
    Walter rief noch einmal bei Lydia an. »Über Nacht bleiben?«, sagte sie. »Nun, dir bleibt wohl nichts anderes übrig, wenn du Barry sehen möchtest. Also, ich bin damit einverstanden, ich meine, dass du dich mit Barry triffst.«
    »Du klingst, als hättest du nach wie vor wenig Vertrauen in mich.«
    »Ich habe für keine fünf Cent Vertrauen in dich, Walter.«
    »Lydia«, sagte er, »ich liebe dich.«
    Er legte auf und mietete sich ein Zimmer im Cougar Land Motel, wo er die zweite Hälfte eines Films mit Rock Hudson sah. Danach rief er in Barrys Wohnheim an und ließ das Telefon eine halbe Ewigkeit klingeln. Schließlich hob jemand ab und sagte über ohrenbetäubende Musik hinweg: »Er ist nicht hier. Ich weiß auch nicht, wo er ist.« Er gab vor, Barry ausrichten zu wollen, sein Vater sei in der Stadt und wohne im Cougar Land, Zimmer 15. Als Nächstes sah Walter Bowling und spielte mit dem Gedanken, eine anständige Bar mit Happy Hour zu suchen. Er ließ es jedoch bleiben und machte stattdessen ein Nickerchen. Dann duschte er, aß einen Hamburger aus der Tüte und machte sich auf den Weg zum

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