Ed King
nach der Stimme seines Vaters um, nahm die Zigarette aus dem Mund, warf sie zu Boden und löste sich von seiner Jungfrau. »Barry!«, wiederholte Walter. »Was zum Teufel ist los mit dir?«
Als er näher kam – so nahe, dass er den Geruch von Pot im Atem seines Sohnes riechen konnte –, blickte Barry zu Boden. Die Jungfrau, die doch keine Schönheit war, sah Walter kurz an und blickte dann an ihm vorbei zum anderen Ende des Parkplatzes. Er sah in ihrem Gesicht, dass sie beschlossen hatte, sich nicht einzumischen und unsichtbar zu bleiben, was auch immer sich zwischen dem gesetzten Typ und Barry ereignen würde. »Na«, sagte Barry, »wie geht’s?«
Walter seufzte. »Wie es geht? Wie es geht ? Mein Gott, Barry, wo bist du gewesen?«
»Wie?«
»Ich war um zwei Uhr am Wohnheim.«
»Ups! Tut mir leid, Mann.«
»Herrgott, Barry.«
»Ich hab’s verschissen, glaube ich.«
»Barry, bitte .«
»Ich bin ein Versager.«
Walter dachte, die Jungfrau lachte jetzt sicher still in sich hinein, sodass niemand es bemerkte. Sie war jugendlich und straff, hatte hübsche Brüste und ein Pferdegesicht, und sie trug immer noch das weiße Kleid, in dem sie auf der Bühne geopfert worden war. Trotz seines Zorns dachte Walter unwillkürlich, dass er gerne mit ihr ins Bett gehen würde. »Tut mir leid«, sagte er, »wer auch immer Sie sind, dass Sie sich das anhören müssen.«
Es war, als hätte er nichts gesagt. Sie erwiderte nicht einmal: »Schon gut«, oder zuckte mit den Schultern. Kein Augenaufschlag, nichts, was zeigte, dass sie seine Gegenwart bemerkte. Aber eben dieses Nichts war die schlimmste und bitterste Reaktion, und er war sich sicher, sie wusste das. Sie benutzte die weibliche Waffe der Verachtung, und das machte Walter noch wütender auf Barry. »Wie heißen Sie?«, fragte er.
»DeeDee.«
»Nun, DeeDee, Barry ist mein Sohn, und ich war mit Barry im Wohnheim verabredet, aber Barry ist nicht erschienen.«
Erneutes Schweigen, so eisig und abgründig, dass es für Walter alles sagte. »Ich nehme an, ihr zwei wolltet gerade los, eine Nummer schieben«, hörte er sich zu DeeDee sagen. »Nun, ich will euch nicht aufhalten.«
»Dad«, sagte Barry.
»Ich wünsche euch viel Spaß«, sagte Walter.
Jetzt endlich senkte DeeDee den Kopf, wie es sich gehörte, und er und Barry sahen sich geradewegs ins Gesicht. »He«, sagte Walter, »du zitterst ja.«
»Dad.«
»Ich zahle für alles, weißt du?«, sagte Walter. »Wenn ich es nicht mehr tue, hast du ein Problem, Barry, weil du dann nämlich arbeiten musst.«
Keine Antwort. Walter empfand Genugtuung, seinen Sohn vor DeeDee zu demütigen. Ihn in der Defensive zu sehen, zitternd in seiner Lederhose, ausnahmsweise einmal ohne einen flotten Spruch auf den Lippen. Gleichzeitig fühlte Walter sich furchtbar, weil Barry runterzumachen schlechter Erziehungsstil war. Und er machte es nur, weil er die Kontrolle über sich verloren hatte. Immer hatte er Vernunft bewahrt und sich zurückgehalten – bis jetzt.
Barry sah ihn finster an, spuckte auf den Asphalt und sagte: »Warum bist du nur so verdammt blind ?«
»Wie bitte?«
»Ich will dein Geld nicht. Behalte dein Geld, Dad. Wach auf, hörst du? Sieh dich doch an.«
Walter antwortete: »Schön, Sie kennengelernt zu haben, DeeDee«, und ging davon.
Es war eine raue Nacht in Zimmer 15 im Cougar Land: Aus Zimmer 14 dröhnte ein weiterer Battle of the Bands , und als der endlich zu Ende ging, offenbarte die relative Ruhe, dass in Zimmer 16 jemand bei laufendem Fernseher laut schnarchte. Walter, ein Kissen über dem Kopf und zerknüllte Papierstöpsel in den Ohren, lag wach auf dem Bett und ließ die Auseinandersetzung auf dem Parkplatz noch einmal Revue passieren, insbesondere seinen eigenen kläglichen Auftritt. Als er zuletzt in einen unruhigen Halbschlaf fiel, fuhren im Gang die Putzwagen vorbei, wurden auf dem Parkplatz Wagentüren geöffnet und zugeschlagen und man hörte Stimmen. Walter wachte nach zehn Uhr mit Kopfschmerzen auf, duschte und legte sich wieder aufs Bett.
Um halb zwölf bezahlte er das Zimmer, kaufte eine Tüte Donuts für unterwegs und verließ Pullman. Auf der Fahrt durch die Weizenfelder wälzte er finstere Gedanken über Barry, sich selbst, Lydia und Tina, und je mehr es in ihm gärte, desto deprimierter wurde er. Was für ein Chaos und was für eine Zeitverschwendung, sich als barmherziger Samariter oder als Lydias Friedensbotschafter hierherzubegeben. Zeit, Geld, guter Wille, alles für die
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