Ed King
dynamischer Führung originelle und clevere Ideen. Long veranstaltete Wettbewerbe in den bekannten Skigebieten, verloste Skier, Reisen und Liftpässe für die ganze Saison, kaufte einen Konkurrenten auf, erweiterte die Forschungs- und Entwicklungsabteilung und entwickelte auf Jims Drängen hin eine »topaktuelle« Wintermodenkollektion. Long verkaufte längst nicht mehr bloß Skier und Stöcke, sondern auch Skibrillen, Helme, Reisetaschen, Stiefel und todschicke Sonnenbrillen. Alle Produkte zierte das modernisierte Firmenlogo, das den Schriftzug LONG wie in eine ovale Gürtelschnalle graviert zeigte. Der neue Firmenkatalog enthielt gut aussehende Models, professionelle Fotografien und flotte Produktbeschreibungen. Jim kümmerte sich ganz besonders um Longs TV-Werbung und verbrachte viel Zeit mit der Entwicklung von Storyboards. Er erklärte Diane, seine Interessen lägen jetzt im kreativen Bereich und er spüre, wie sich sein Horizont erweitere.
Trotz des wachsenden Vermögens ihrer Ehegemeinschaft, spürte Diane eine innere Ablehnung gegenüber den Longs und ihrem expansiven Geschäftsgebaren, das sie mit zunehmender Strenge verurteilte. Als sie sich in einem Brief an ihren Halbbruder Club über ihre angeheiratete Familie beschwerte, war sie sich ihrer unfairen Übertreibungbewusst, als sie alle in die Schublade »Reiche Amerikaner« steckte, um die Dinge auf den Punkt zu bringen. Club schrieb zurück, er sei noch nie in den Staaten gewesen, doch kenne er solche geldversessenen Verwandten aus dem Fernsehen. Er schrieb, er sei momentan »Maurergehilfe für einen beschissenen Lohn« und dass er sich durch die Arbeit den Rücken ruiniere. Ein Kumpel von ihm arbeite Zigeunerwohnwagen auf, und er überlege, runter nach Dorset zu gehen und da einzusteigen. Vielleicht würde er auch reisen und sie eines Tages besuchen kommen. All das war erfrischend für Diane, die sich ansonsten mit der Bande von Spießbürgern herumschlagen musste, in die sie eingeheiratet hatte. Die Kritik an ihrer Familie weitete sich schließlich auch auf Isobels Mundgeruch (hervorgerufen durch »Mandelsteine«) und die Marke von Nelsons Tennisschläger aus. Der Ausdruck »blöde Wichser« kam ihr unwillkürlich in den Sinn, wenn die arroganten Longs sich über das hohe Arbeitslosengeld oder die vermeintliche Laxheit des amerikanischen Rechtssystems beklagten, das ihrer Meinung nach Kriminelle begünstigte. Ihre Ignoranz widerte Diane an. Ihre politischen Überzeugungen waren unerträglich. Sie waren nicht sehr glücklich über Jimmy Carter und zogen am 4. Juli am Pool von Wills Haus betrunken und lautstark über den Erdnussfarmer aus Georgia her, der bisher rein gar nichts gegen die Inflation unternommen, sich dafür aber umso mehr für die Amnestierung von Kriegsdienstverweigerern starkgemacht habe. Diane war überrascht, Jim so leidenschaftlich die Linie seiner Brüder verfechten zu sehen. Zu ihr mochte er von seinem liberalen Wandel und der Entdeckung kreativer Interessen sprechen, aber am Pool klang er wie seine Brüder, wie ein Plutokrat, der missmutig über zu wenig Geld klagt. Unterm Strich aber hatte Jim trotz Inflation jede Menge Geld. Und mit der Zeit schien er die Tatsache zu akzeptieren, dass Diane ihm keine Erben schenken würde. Er erzählte ihr, er sei dankbar für seine elf Nichten und vierzehn Neffen, von denen die meisten in der Nähe wohnten. Er sagte, er sehe nichts Falsches darin, ein guter Onkel zu sein. Wenn es sein Schicksal sei, keine eigenen Kinder zu bekommen, dann könne und würde er das akzeptieren und die Dinge von ihrer positiven Seite sehen. Immer wieder versicherte er Diane, dass er ihr keine Vorwürfe mache, was ihr Schuldgefühle eingab. Alles in allem war er kein schlechter Kerl, sondern lediglich steinreich und ein bisschen dumm. Vielleicht, überlegte sie, hätte sie sich einen miesen Typen aussuchen sollen, den sie dann ohne Schuldgefühle hätte ausnehmen können. Aber dazu war es jetzt zu spät. Schuld hin oder her, sie wollte keine Kinder. Was hätte es auch gebracht, jetzt schwanger zu werden, da Jim sich endlich mit ihrer »Sterilität« abgefunden hatte? »Nada«, antwortete ihr Friseur Steve, ein kleiner, ledriger Kerl aus Louisiana, der aussah wie eine Mischung aus Mick Jagger und einem Rodeoreiter, besonders wenn er ein enges T-Shirt trug. Er wusste nicht nur von ihrer vermeintlichen Subfertilität, sondern zu seinem größten Vergnügen auch von dem Vibrator und dem Dildo. Der gute alte Steve war
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