Ed King
Hause die Augen zu, und am nächsten Morgen wachte sie mit einer Magenverstimmung und Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht auf. Sie konnte nicht viel sagen, weil das Sprechen schmerzte. Halbblind, stumm und mit beträchtlichen Schmerzen musste sie geduldig auf eine Verbesserung der Situation warten. Nach zwei Wochen, einigen zusätzlichen Pfunden, weil sie ans Haus gefesselt war, sowie über eintausend Seiten Sidney Sheldon und Harold Robbins sah sie tatsächlich phantastisch aus.
Im folgenden Monat mied sie in Mazatlán strikt die Sonne, was Jim ihr vorhielt. Allerdings konnte er den Streit nicht gewinnen, weil die Amerikanische Krebsgesellschaft auf Dianes Seite war und weil Nelson erst kürzlich Basalkarzinome aus seiner linken Wange und Schläfe entfernt worden waren. Diane verbrachte die Stunden in einer luftigen Strandhütte, spielte Scrabble mit Nelson und Isobel, trank Evian und Piña Coladas und sammelte Pluspunkte, weil sie sich um die Alten kümmerte. Es war eine simple, geistlose Aufgabe, und alles wäre bestens gewesen, wenn sie durch die vielen jüngeren Frauen, die vorbeikamen, nicht verunsichert gewesen wäre. Sie sahen so umwerfend aus, dass Diane sich schrecklich fühlte und schwor, zu Hause sogleich mehrere Pfunde abzunehmen.
An Thanksgiving verzichtete sie auf die Füllung und Kartoffeln und mied die Küche, indem sie sich mit ihren Nichten beschäftigte. Diane war bei den weiblichen Teenagern der Familie sehr beliebt, nicht nur wegen ihres leichten englischen Akzents, sondern auch, weil sie außer Hörweite der Erwachsenen die kritischen Ansichten der Jugend teilte.Vor dem Abendessen lehnte sie im Türrahmen eines Zimmers, in dem sich eine ganze Traube Mädchen versammelt hatte, und lachte über die Feststellung, die Haare auf Onkel Trips Brust seien abstoßend. Diane erklärte ihren Nichten, Brusthaare könnten auch sexy sein, was sie noch feststellen würden, wenn sie einmal erfahrener wären. Das ließ alle Mädchen verstummen, während sie versuchten, aus Tante Diane schlau zu werden, und gleichzeitig mit ihrem eigenen Unbehagen kämpften. Na wennschon. Sie ließ einen Moment verstreichen, bevor sie ihrer verwirrten Zuhörerschaft offenbarte, dass auch Männer, die in ihrem Aussehen und ihren Bewegungen feminin wirkten, attraktiv sein könnten. Diane spähte theatralisch den Flur entlang, um sicherzustellen, dass auch kein Erwachsener in der Nähe war, und schärfte dann ihren Nichten ein, sich bloß nicht auf Kondome zu verlassen. Sie sollten lieber die Pille nehmen oder sich eine Spirale oder ein Pessar einsetzen lassen, aber die Pille sei natürlich das Beste. Erneut breitete sich verwirrtes Schweigen unter den Teenagern aus, bis Diane in die Stille hinein sagte: »Ich glaube, ich gehe jetzt besser zu den Oldies, um mit ihnen Cocktails und Snacks vor dem Fernseher zu futtern und über irgendetwas zu tratschen.«
Über die Weihnachtsfeiertage vergaß Diane ihre übliche Vorsicht, und die unvermeidliche Gewichtszunahme am Po und in der Taille versetzte sie in eine Stimmung, in der ein aufmunterndes Highlight in Form eines Gesichtspeelings dringend geboten schien. Jim, der mittlerweile genau wusste, wie man als Ehemann zu reagieren hatte, sagte: »Von welchen überflüssigen Pfunden redest du?« Dennoch, als sie sich auf die Waage stellte, bekräftigten vier neue Pfunde ihren Entschluss, dass ein Besuch bei David Berg dringend nötig sei.
Dr. Berg hörte sich Dianes Sorgen an und verwies sie an einen befreundeten Schönheitschirurgen, Dr. Green in Lake Oswego, der nach Dr. Bergs Auskunft »absolut großartig« war. Bei ihrem ersten Termin mit Dr. Green wollte er von Diane wissen, was ihr an ihrem Körper nicht gefalle, und befragte sie nach allen möglichen psychischen oder gesundheitlichen Problemen, nach ihrer Ehe und nach Essstörungen. Beim zweiten Termin musste Diane sich entkleiden und wurde von einer Sprechstundenhilfe mit einer Sofortbildkamera fotografiertund mit Maßband und Tastzirkel vermessen. Sie unterhielt sich mit Dr. Green über ihren Po und ihre Taille, und danach gab er ihr eine Woche Zeit, über die Risiken nachzudenken, einschließlich der Gefahr, auch wenn sie nur sehr klein war, bei der Behandlung zu sterben, vor allem aber über die Narben, die er natürlich nach Möglichkeit verdecken wollte, über unter Umständen unbefriedigende Ergebnisse und die Gewissheit, dass die Zeit alle seine Bemühungen zunichtemachen würde. Einen Monat später stand bei Diane
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