Ed King
sich behalten oder nicht, waren sie der Situation angemessen, oder sollte er lieber Interesse heucheln? Oder sollte er einfach nur sich selbst treu bleiben und sagen, was er dachte, weil selbstbewusstes Auftreten bei Frauen am besten ankam? Was wäre, wenn ihm die Trauerweide gefiele ? Und was, wenn nicht?
Sie kamen an einer besonderen Sorte Lilien vorbei, seltenen Wasserlilien, wie sie sagte, die nur im Frühjahr kurz blühten, die aber auch jetzt mit ihren wartenden Knospen und der Art, wie sie im Wind zitterten, beeindruckend anzuschauen seien. Ed fasste sich ein Herz und sagte: »Ehrlich gesagt, ich versteh’s nicht. Ich meine, ja doch, Pflanzen, schön und gut, nur was ist daran so besonders?«
Sie ging mit ihm zu einer nahen Bank, weniger um die Lilien zu betrachten, als um an ihrem Beispiel zu erklären, was daran so besonders war: Es ging nämlich darum, die Lilien nicht einfach nur anzuschauen, sondern darum, sich in ihre exquisite Gegenwart zu versenken, in der Hoffnung auf eine universelle und poetische Erfahrung, ohne sie erzwingen zu wollen. »Verstehst du, was ich meine?«
»Sicher.«
»Ich wusste, du würdest es verstehen«, sagte Ms Klein.
Ms Klein lebte in Wallingford neben einem Laden, der von der Initiative für Familienplanung betrieben wurde und Kondome und Gleitmittel verkaufte. Wallingford besaß noch zahlreiche Relikte aus der Hippie-Ära: ein Müsli-Café, ein heruntergekommenes Independent-Theater, einen Head-Shop, der auch gebrauchte Schallplatten verkaufte, eine Gärtnerei, die noch Gro-Lux-Reflektorenlampen im Sortiment hatte, und unverbesserliche Idealisten, die vor einem muffigenCo-op Flugblätter verteilten. Ed hatte zuvor nie darüber nachgedacht, aber Ms Klein war ein Kind der sechziger Jahre und hatte vielleicht zu jener Szene gehört, die freie Liebe praktiziert hatte – Hair , Woodstock, Sex in Dampfzubern und Kommunen, in denen jeder es mit jedem machte. Tatsächlich gab sie ihm nachmittags im Bett, das, wie sie ihn lachend erinnerte, auch Reeds Bett war, zuerst eine Einführung ins Tantra: Nichts zu wollen, was über das Hier und Jetzt hinausging, war offenbar der springende Punkt, denn dadurch wurde das Hier und Jetzt aufgewertet. Es ging nicht um irgendein Wissen, sondern um das Erleben, ausgehend von dem Grundsatz, dass es nichts außer dem Erleben gebe, obwohl es Ed schwieriger erschien, im Augenblick zu leben, wenn man permanent damit kämpfte, die Spannung aufrechtzuerhalten. Er hatte das Gefühl, als würde sie ihren Orgasmen, allen dreien an diesem Nachmittag, Noten geben.
Dennoch fühlte er sich nachher großartig und reichlich belohnt durch ihre Kunstfertigkeit. Er hatte gegeben, aber zugleich von einer Frau genommen, die älter war und mit einem Mann zusammenlebte. Die wohlige Trägheit sexueller Befriedigung genießend, dachte er in Unterwäsche darüber nach, wie einmalig es war, achtzehn zu sein und die Frau eines anderen zu vögeln – eine Frau, wohlgemerkt, kein junges Mädchen. Für Ed war dies, wie es so schön heißt, eine Offenbarung. Als sie ihn warnte: »Reed kommt in einer Stunde nach Hause«, verstand er dies als Aufforderung, dass sie mehr wollte, dass sie von einem Jungen auf dem Gipfel seiner Potenz nicht genug bekommen konnte und dass er wegen der nur kurzen Ruhepausen, die er benötigte, der ideale Partner für Tantra-Sex war. Und das war er in der Tat. Schon bald war er das, was Tantra-Anhänger einen »tantrischen Gefährten« nennen. Er lernte, es im Lotossitz und fast bewegungslos über einen langen Zeitraum hinweg zu machen. An einem Tag im Mai waren sie gerade im Lotossitz vereint, als Reed nach Hause kam. Eigentlich sollte er irgendwo ein Hausboot abschmirgeln, aber jetzt stand er entgeistert vor ihnen. Ms Klein sagte zu Ed, er solle sich anziehen und verschwinden. Vor der Tür hörte er, wie sie sich drinnen anschrien.
Reed sorgte mit dem selbstgerechten Zorn des betrogenen Ehemanns dafür, dass Darlene ihren Job an der U Prep wegen sexuellerKontakte zu einem Schüler verlor. Da Ed das Opfer war, wurde seine Identität geheim gehalten, aber Recline wurde in Schimpf und Schande der Schule verwiesen. Ihr Name erschien in zwei Tageszeitungen, inklusive einem Foto aus dem letzten Jahrbuch. Für kurze Zeit war sie wegen ihres blendenden Aussehens und ihrer Verführungskünste an der Schule Gesprächsthema. Auch über Ed wurde geredet, allerdings nur unter seinen Klassenkameraden, die alle zu wissen schienen, wer Recline flachgelegt
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