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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Dunkelheit kam. Linda zog sich ihren Strickschal über den Mund, und Ms Klein schlang beide Arme um ihre hochgezogenen Schultern.
    Kurz darauf wühlten sie an der aufgeklappten Hecktür des Busses im Gepäck und stießen auf einen noch ungeöffneten Karton mit Schneeketten. Als Ed sie auspackte, spürte er Ms Kleins kalte Hand fest auf seinen Schultermuskel drücken, als wäre sie eine Masseuse und suchte den entsprechenden Druckpunkt. »Müssen die nach vorne oder nach hinten?«, fragte sie.
    »Nach hinten«, antwortete Ed. »Immer nach hinten. Es sei denn, wir haben Frontantrieb.«
    »Haben wir?«
    »Versuchen wir es mit hinten«, sagte Ed.
    Fünfzehn Minuten später, als sie mit rumpelnden Ketten wieder auf der Straße waren, ein Geräusch, als ob am Wagen etwas kaputt wäre, fragte Ms Klein, ob Eds Hände wieder warm seien. »Die sind immer warm«, erklärte er.
    Nach einer Stunde Fahrt durch Dunkelheit und Schneetreiben war es Zeit, die Ketten auf einer mondbeschienenen Ausfahrt unter einem frostigen Sternenhimmel wieder abzunehmen. Yael, Ms Klein, Vanessa und Emily pusteten mächtige Atemwolken in die Luft, während Ed auf Knien die Arbeit erledigte und Simon mit einem eisigen Wagenheber hantierte und zwischendurch immer wieder auf seine Finger blies. Nur Linda saß im Wagen und las im Licht der Deckenleuchte. Vanessa kommentierte Eds Anstrengungen mit: »King, du bist mein Held«, und: »King, du bist ein echter Mann.« Ms Klein hatte ihre Jacke aus ihrer Tasche gezogen, einen Wollmackintosh mit Kapuze, der Ed irgendwie irisch vorkam. Sie schien in der trockenen, klaren Luft mit sich zufrieden und vergnügt über die abenteuerlichen Umstände ihrer Reise. Ihre nassen Haare hatten sich noch stärker gelockt, und die Haut auf ihren breiten baltischen Wangenknochen leuchtete vor Kälte scharlachrot.
    Auf einem verschneiten Pass überquerten sie die Berge. Wenig später lag ihr eigentliches Leben so weit entfernt, dass die Rollen, die sie in der Schule spielten, von ihnen abfielen. Simon versank in meditatives Schmollen, Linda schlief, Emily und Vanessa taten sich noch enger zusammen, und Ms Klein saß schweigend hinterm Steuer. Ed kam es so vor, als träumte sie vor sich hin. Ihr Schweigen schien ihm ein Zeichen dafür, dass sie ein eigenes Leben außerhalb der Schule hatte. Ed legte eine Hand auf Yaels Oberschenkel, was sie mit der gleichen Geste erwiderte und sich mit der anderen Hand durchs Haar fuhr.
    An der Kreuzung von Moses Lake hielten sie an einem McDonald’s, gaben ihre Bestellungen auf, gingen zur Toilette und machten sich über die hinterwäldlerische Atmosphäre lustig. Ms Klein hatte kein Problem damit, mit einem Hamburger in der Hand zu fahren, allerdings musste Emily ihr die Ketchuptütchen aufreißen. Zwischen den einzelnen Bissen erklärte sie, warum man die Leute nicht verurteilen dürfe, bloß weil sie in der Provinz lebten. Sie selbst war in Westchester aufgewachsen und hatte an den Unis Wellesley, Brown und Johns Hopkins studiert. Deshalb, oder besser gesagt trotzdem, habe sie immer versucht, »das riesige, rückständige Landesinnere« nicht zu verurteilen, obwohl es natürlich schwer zu verdauen gewesen sei, dass die Kernstaaten, ganz zu schweigen von der Mehrheit des ganzen Landes, so geschlossen für »den Schaumschläger Ronald Reagan« gestimmt hätten. Wie konnte es möglich sein, dass »dieser Volltrottel aus Bedtime for Bonzo « Präsident der Vereinigten Staaten war?
    Niemand im Bus hatte je von Bedtime for Bonzo gehört, sodass Ms Klein die miserablen Schauspielkünste des Präsidenten beschrieb, seine Scheidung von Jane Wyman und die Heirat mit »Mommy«, dass sein Sohn ein vermutlich bisexueller Tänzer beim Joffrey Ballet war und seine Tochter eine kiffende Anti-Atom-Aktivistin, die mit Bernie Leadon von den Eagles herumhing. Ed konnte in einem ernsten Tonfall ergänzen, dass Reagan ein Befürworter der Todesstrafe sei und auf ruchlose Weise die kalifornische Autobahnpolizei dafür eingesetzt habe, um protestierende Studenten in Berkeley mit Tränengas auseinanderzutreiben. Ms Klein, die, während sie sprach, den Rückspiegel zurechtrückte, nickte bestätigend, lächelte verschmitzt und lobte Ed,»über diesen reaktionären Hinterwäldler so gut Bescheid zu wissen, der glaubt, Bäume verursachten Umweltverschmutzung«. Als sie in der Nähe von Sprague eine Pause machten, gesellte sie sich etwas abseits von den anderen auf dem Parkplatz zu ihm, sodass sie in der

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