Ed King
hatte.
Letztendlich aber tat die sexuelle Eskapade mit der Betreuerin des Mathe-Clubs Eds Schullaufbahn nicht gut, trotz der Beteuerungen der Schulleitung, dass ihn absolut keine Schuld treffe. Im Mai wurde er bei der Wahl der Jahrgangsbesten übergangen und musste zusehen, wie Si und drei weitere verdienstvolle Mitschüler als Redner für die Abschlussfeier auserkoren wurden. Vor den versammelten Eltern und Freunden auf der mit einem Zeltdach überspannten Tribüne des Football-Stadions trat Si im grellen Sonnenlicht aufs Podium, zupfte an der Troddel seines Huts, kicherte und zitierte aus I Wanna Be Sedated von den Ramones. Er brachte die unerwartet starke Saison der Footballmannschaft mit Star Trek: Der Film in Verbindung und erinnerte daran, wie bitter es zwei Jahre zuvor für die Abschlussklasse von 81 gewesen war, zwar den Führerschein zu besitzen, »aber kein Benzin, wegen der OPEC«. Bei den anschließenden Familienfotos auf dem Rasen sagte Si immer wieder: »Nun macht schon.« – »Ein bisschen Geduld«, gab Alice gereizt zurück, und Dan sagte: »Teamgeist, Simon.«
Ed war den Sommer über Bademeister an einem Strand von Lake Washington, wo jede Menge eingebildeter, gut aussehender Mädchen in Grüppchen auf Badetüchern in der Sonne lagen. Von seinem Hochsitz aus bemerkte Ed, dass viele von ihnen großen Wert auf eine nahtlose Bräune legten. Sie drehten sich mit dem Stand der Sonne und lösten, auf dem Bauch liegend, die Bänder ihrer Oberteile. Eds Aufgabe bestand natürlich darin, die Schwimmer im Auge zu behalten und sie bei Fehlverhalten durch ein Megaphon zur Ordnung zu rufen, aber mindestens die Hälfte der Zeit wurde er dafür bezahlt, Mädchen zu beobachten. Und dann kam eines Tages Darlene Klein im schwarzen Bikini an den Strand. Sie trug eine Sonnenbrille, hielt eine Strandtaschein der Hand und hatte eine neue Frisur – Cornrows. »Ed«, sagte sie und blieb direkt vor seinem Hochsitz stehen, sodass er einen grandiosen Blick auf die tiefe Spalte zwischen ihren Brüsten hatte. »Ed King.«
»Hey.«
»Ich wohne ganz in der Nähe. In einem Studio-Apartment. Ganz für mich alleine.«
Nach der Arbeit ging er zu ihr, genau wie an den meisten folgenden Tagen. Dann war es Zeit für Stanford.
In Stanford hatte Ed das typische Offenbarungserlebnis eines Achtzehnjährigen: Er wollte nicht nur reich und berühmt, sondern eine historische Persönlichkeit werden, die die Welt veränderte, wie Gutenberg oder Galilei. War das zu hoch gegriffen? Als Lebenstraum? Insgeheim? War es nicht normal, Unsterblichkeit zu erstreben, zumindest für einen Erstsemester-Studenten an einer Elite-Uni? Der gesamte Campus schien schließlich darauf ausgelegt, Ed in seinen hehren Ambitionen zu bestärken, vielleicht ein nicht ganz so hoch gestecktes Ziel, aber dennoch irgendein größeres Vorhaben vor Augen zu haben, etwas, das ihm den Weg in seine Zukunft weisen würde, da ihm nach seinem Abschluss alle Türen offen stünden. Aber was genau sollte das sein? Bereits in der ersten Semesterwoche dachte Ed über die schwindelerregenden Möglichkeiten nach, die ihm einige brillante Professoren mit Sätzen wie »Die Mathematik ist der Schlüssel zu dem, was jenseits der Vorstellungskraft liegt« oder »Die Mathematik ist der Schauplatz des Ringens der Menschheit, die Geheimnisse des Universums zu verstehen« eröffnet hatten. Nach einer Vorlesung in diesem Stil lief Ed wie benommen über den Campus zum Hoover Tower. Auf der Aussichtsplattform blickte er über das Mosaik der roten Ziegeldächer und über den Stadtrand von Stanford hinaus in die Ferne, wo die unter einer Smogglocke liegende Halbinsel an die San Francisco Bay stieß, und dachte: »Dies ist der Anfang von etwas Großem.«
Nur was würde das sein? Die nächstliegende Wahl war Mathematik oder Computerwissenschaft, weil Stanford-Absolventen beider Fächer gegenwärtig traumhafte Gehälter verdienten und sich einen Namen damit machten, »Software zu entwickeln, die die Welt verändert undderen Bedeutung zu vergleichen ist mit der Druckerpresse oder dem Fernsehen«, wie es in der Hochglanzbroschüre der Uni hieß. Die Botschaft von Stanford lautete, dass die Paradoxien und Rätsel der Mathematik kurz davor stünden, endlich entschlüsselt zu werden, und zwar durch neue, leistungsstarke Computer, die unsere bisherige Welt revolutionieren würden. Ingenieure in Stanford versuchten, Telefonleitungen für die Übertragung riesiger Datenmengen zu nutzen, Programmierer
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