Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Einbruch, also …«
Sie wedelte mit der Hand und zuckte die Achseln, um anzudeuten, dass sie sich das nicht erklären konnte, dass Peter die Unterlagen wohl selbst mitgenommen haben musste oder dass sie schon viel zu hinüber war, um sich noch dafür zu interessieren. Dann nickte sie heftig mit dem Kopf, zwang sich offenbar dazu, sich zusammenzureißen, beugte sich vor und starrte zu Boden, die Hände zwischen den Knien zu kleinen Fäusten geballt. Es war anstrengend, ihr dabei zuzusehen, wie sie alle dreißig Sekunden Charakter und Stimmung wechselte. Man konnte beim besten Willen nicht sagen, ob Schuldgefühle oder Angst dahinter steckten oder ob es nur die fröhlichen Wandlungen einer Trinkerin waren.
»Kann ich das Arbeitszimmer sehen?«
»Oben, die letzte Tür.«
Von der weiß gestrichenen Diele führte eine Wendeltreppe nach oben. Ich ging bis zum Ende des Flurs und öffnete die Tür zu Peter Dawsons Arbeitszimmer. Die Holzjalousien waren geschlossen, also machte ich Licht. Eine ganze Regalwand stand voller Ordner, die offensichtlich jeden Bereich in Peters Leben abdeckten. Es gab Ordner für Schule, Uni und Büro, Ordner mit der Aufschrift »Schwimmen«, »Tennis« und »Segeln«, es gab sogar Ordner für Briefmarkensammlungen, Fußballsammelkarten und die Pfadfinder sowie zwei weitere, die mit »Sammelalben: Pop« und »Sammelalben: Sport« beschriftet waren. Linda hatte Recht: Peter hatte hier sein ganzes Leben abgeheftet. Ich arbeitete mich durch die einzelnen Ordner und verglich den Inhalt mit der Aufschrift. Abgesehen von ein paar unbeschrifteten waren nur noch drei weitere Ordner leer: zwei mit der Aufschrift »Familie 1« und »Familie 2« und einer mit der Aufschrift »Golfclub«.
Der Schreibtisch war aus hellem Eichenholz und hatte keine Schubladen. Ein Power Mac G4 stand darauf, und der Bildschirm, der auf seinem halbkugelförmigen weißen Fuß zu schweben schien, war auf geradezu aufdringliche Weise der letzte Design-Schrei. Während der Rechner hochfuhr, schaute ich mich weiter im Arbeitszimmer um. An einer Wand hingen zwei Jahresplaner mit Notizen wie »Argus Vale, 64 Whngen., Stadth., Sept. 2006« oder »Glencourt, Gemeindezentr., 18 Monate«. Im Bücherregal standen fast nur Biographien von Sport- und Wirtschaftsgrößen und ein paar Segelhandbücher.
Auf Peters Schreibtisch befand sich ein Foto, das zwei Männer und ein Rennpferd zeigte. Der eine Mann wirkte rundlich, braun gebrannt und selbstzufrieden; er trug eine Barbourjacke und eine Tweedkappe. Sein Name wollte mir nicht einfallen, aber er hatte es in den Sechzigern in der Immobilienbranche weit gebracht. Die Zeitungen bezeichneten ihn bis heute als »Irlands ersten Millionär«. Der andere Mann war schlanker, als ich ihn in Erinnerung hatte, seine kleinen, kalten Augen lugten misstrauisch unter der Krempe eines schwarzen Filzhuts hervor: John Dawson, Peters Vater.
Ich setzte mich an den Schreibtisch und sah mir an, was auf dem Mac gespeichert war, aber die Dateien schienen sich alle auf die Arbeit zu beziehen: Tabellen, Gewinn-Verlust-Rechnungen und Ähnliches. Falls die Lösung des Rätsels um Peters Verschwinden hier irgendwo verborgen lag, musste ich wohl einen Spezialisten anheuern, der sich da durchackerte. Ich öffnete Word und sah die zuletzt verwendeten Dokumente durch. Die meisten waren unter Namen wie »hhhh« oder »1111« gespeichert und offensichtlich inzwischen gelöscht worden, denn sie brachten kein Ergebnis bis auf die Meldung: »Dateiname oder Pfad ungültig.« Das aktuellste Dokument war unter dem Namen »ZaK« gespeichert, enthielt aber nur eine leere Seite. Ich überlegte, ob Peter hier tatsächlich nicht über den Namen hinausgekommen war oder ob jemand anders den Inhalt gelöscht hatte. Ich suchte in der Dateistruktur nach dem Dokument und überprüfte die Zeiten: erstellt am Freitag, 16. Juli, 13:27, geändert am Dienstag, 20. Juli, 12:05. Gestern kurz nach Mittag hatte also jemand den Inhalt gelöscht, das Dokument selbst aber nicht in den virtuellen Papierkorb des Computers befördert.
Ich kniete mich auf den Boden, um zu sehen, ob es vielleicht andere interessante Abfälle gab, aber das ganze Zimmer blitzte vor Sauberkeit, wie frisch geputzt und gestaubsaugt, und der Edelstahlpapierkorb war leer bis auf den vertrockneten Fleck, den ein Apfelgehäuse auf dem Boden hinterlassen hatte.
Ich sah mich noch kurz in den anderen oberen Räumen um: ein großes, weiß gekacheltes Bad, zwei Zimmer, die so
Weitere Kostenlose Bücher