Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Schlüssel?«
»Agnes, die Putzfrau. Aber die war heute hier.«
»Wo hat sie den Müll hingetan?«
Linda grinste. »Manchmal hört man schon einen amerikanischen Akzent bei dir. Hier draußen.«
Sie führte mich um das Haus herum zu einem kleinen Holzschuppen hinter einer jungen Buche. Dort deutete sie auf eine graue Mülltonne auf Rollen.
»Was suchst du denn genau?«
»Alles, was in Peters Arbeitszimmer war, im Papierkorb, auf dem Boden.«
Zuoberst lag ein Stapel Zeitungen in der Mülltonne. Ich nahm eine Irish Times, breitete sie auf dem Boden aus und leerte die erste Mülltüte darauf.
»Ich lass dich dann mal allein.« Linda rümpfte die Nase und ging ins Haus zurück.
Ich arbeitete mich durch zwei kleine Mülltüten, die zusammengedrückte Orangensaft- und Milchpackungen, leere Tonicflaschen aus Plastik, Apfelgehäuse und Zitronenschalen und eine Unmenge Zigarettenkippen, Asche und Staub aus dem Staubsaugerbeutel enthielten.
In der dritten Tüte fand ich einen leeren Parfumzerstäuber – Grapefruitduft von Jo Malone –, eine leere Flasche Quitten-Körpermilch von Dr. Hauschka und eine alte Zahnbürste. Immerhin waren wir also im oberen Stockwerk angekommen. Ich wühlte mich durch benutzte Wattepads und Pfefferminzteebeutel und förderte schließlich drei Quittungen und zwei verbogene Karteikarten zutage. Dann warf ich noch einen raschen Blick in die Garage, wo ein dunkelrotes Audi Cabrio in all seiner fabrikneuen Pracht erstrahlte, gestattete mir ein paar säuerliche Gedanken über Leute mit zu viel Geld und klopfte an die Haustür.
Nachdem ich mir Hände und Gesicht gewaschen hatte, zeigte ich Linda meine Ausbeute. Zwei der Quittungen waren ihre: Sie stammten aus einem Laden für Künstlerbedarf in der Harcourt Street, wo sie Malutensilien gekauft hatte.
»Schön, dass du noch malst«, bemerkte ich.
»Ich bin Sonntagsmalerin, Ed. Aber ich gebe jetzt Kunstunterricht am Sacred Heart in Castlehill.«
»Wirklich? Das ist …«
»Ja, nicht? Die frustrierte, saufende Lehrerin. Ein echtes Vorstadtklischee. Die Quittung hier ist von Ebrill’s, einem Schreibwarenladen in Seafield. Hier sind sogar die Artikel aufgeführt: Umschläge, zwei weiße DIN-A4-Briefblöcke, Adressaufkleber. Wie aufregend.«
Linda ging zum Kühlschrank, holte den Grapefruitsaft und den Wodka und kam damit zum Tisch zurück. Sie mixte sich einen starken zweiten Drink und trank das Glas gleich zur Hälfte leer.
»Slainte« ,sagte sie und grinste mich schelmisch und verwegen an.
Ich legte die beiden Karteikarten auf den Tisch und strich sie glatt. Es waren Listen. Die eine enthielt vier Punkte:
Dagg.
T.
L.
JW.
Auf der anderen standen vierzehn Namen.
»Kommt dir irgendwer davon bekannt vor?«, fragte ich Linda.
»Es gibt einen Rory Dagg, er ist Bauleiter bei Dawson Construction. Sonst sagt mir keiner was.«
»Du hast gesagt, Peter war letzten Freitag auf der Rathausbaustelle in Seafield. War Rory Dagg auch da?«
»Kann sein.«
»Dann könntest nämlich du das L sein. Vielleicht ist das eine Liste von Leuten, die Peter an dem Tag treffen wollte.«
Ich sah mir die zweite Liste an: Brian Joyce, Leo McSweeney James Kearney, Angela Mackey, Mary Rafferty, Seosamh MacLiam, Conor Gogan, Noel Lavelle, Eamonn Macdonald, Christine Kelly, Brendan Harvey, Tom Farrelly, Eithne Wall, John O’Driscoll.
Das T stand vielleicht für Tom Farrelly. Und das L konnte auch Leo McSweeney sein. Aber wer waren diese Leute? Hatten sie etwas mit einem Golfclub zu tun, in dem Peter Dawson kein Mitglied war?
Linda schüttelte den Kopf. Die Klarheit war aus ihrem Blick verschwunden. Sie hatte sich wieder im Alkoholnebel verloren. Ich bekam Lust, es ihr gleich zu tun. Es schien nicht das Schlechteste zu sein – traurig zwar, aber immerhin sicher.
»Sonst noch irgendwas? Sein Wagen?«
»Steht in der Garage. Er hat noch ein Boot.«
»Ein Boot? Ist er in einem Club?«
»Im Royal Seafield Yacht Club.«
»Hast du da nachgesehen?«
»Er war nicht mehr oft dort. Meistens ist er nur bei anderen mitgefahren. Ich glaube, er hatte keine Lust mehr auf das Boot, weil sein Vater es ihm geschenkt hat. Aber im Sommer liegt es immer vor dem Clubhaus. Da gilt der Name Dawson noch was.«
»Ich werd’s mir mal anschauen. Wie heißt es denn?«
Linda tat, als hätte sie nicht zugehört. »Wie bitte?«, fragte sie.
»Wie heißt das Boot?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte in ihren Drink hinein.
»Ich fürchte, das ist ziemlich albern. Er
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