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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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möglich für dich über die Bühne zu bringen. Eins vorweg: Deine Eltern haben zwar beide kein Testament hinterlassen, aber da tritt natürlich die gute alte Erbschaftskette in Kraft. Deine Mutter hat das Haus von deinem Vater geerbt, und du erbst es von ihr. Eigentlich gehört dir schon seit dem Tod deines Vaters ein Drittel davon.«
    »Da liegt aber gerade das Problem. Mein Vater ist nicht tot. Zumindest besteht die Möglichkeit, dass er nicht tot ist.«
    »Hilf mir bitte mal auf die Sprünge.«
    »Er ist verschwunden. Man hat weder ihn noch seine Leiche jemals gefunden.«
    »Aber das ist doch schon lange her?«
    »Mehr als zwanzig Jahre.«
    »Na, siehst du. Sieben Jahre genügen schon. Natürlich kommst du um die gute alte Sterbeurkunde nicht herum. Als Erstes musst du also deinen Vater für tot erklären lassen.«
    Ich konnte nicht gleich antworten. Ich stand auf, ging zum Fenster und schaute auf die Straße hinunter.
    »Ed? Alles klar?«
    »David, ich … ich weiß nicht recht, ob ich dazu bereit bin.«
    »Das verstehe ich vollkommen. Einen Tag nach der Beerdigung, die guten alten Gefühle fahren Achterbahn, da soll man keine wichtigen Entscheidungen vom Zaun brechen.«
    »Kann ich mich vielleicht in ein paar Tagen wieder bei dir melden?«
    »Aber sicher. Lass dir Zeit. Wenn ich in der Zwischenzeit noch etwas für dich tun kann …«
    David war schon aufgestanden und hielt die Besprechung wohl für beendet. Ich ging zurück an den Tisch und setzte mich, und nach kurzem Zögern setzte er sich ebenfalls.
    »Ehrlich gesagt schon, das war teilweise der Grund, dass ich … Ich schwimme im Moment nicht gerade in Geld, und ich hatte gehofft, du könntest mir etwas für die Bank ausstellen, damit ich das Haus als Sicherheit für einen Kredit verwenden kann. Natürlich nur kurzfristig.«
    David räusperte sich, musterte eingehend seinen Mont Blanc und klopfte damit leicht auf den linierten Block.
    »Ja … nun … ich kann dir natürlich für die Bank bescheinigen, dass du meiner Ansicht nach vorhast, die Erbsache einzuleiten. Aber das kann ich nur als Privatperson. Um dir im Namen der Kanzlei ein Dokument auszustellen, müsste der Vorgang bereits eingeleitet sein. Nur dann sind Doyle & McCarthy in der Position, eine klare Einschätzung abzugeben, wie lange es dauern wird, dir das Haus zu überschreiben.«
    »Und so eine Einschätzung braucht die Bank?«
    »Ich kann natürlich nicht für jeden Banker sprechen, aber nach meiner Erfahrung ist das die einzige Bescheinigung, die eine Bank dazu bringt, einen … hm … Barvorschuss zu leisten.«
    Er klang jetzt abweisender, angestrengter, als hätte er schon von dem Phänomen gehört, dass Menschen mitunter Geld brauchten, würde aber nur ungern persönlich damit behelligt. Er drehte die Kappe seines Füllers auf und wieder zu. Ich stand auf und lächelte, wie um ihm zu versichern, dass Pleitesein im Grunde keine große Sache war.
    »Schon klar. Trotzdem vielen Dank, David – ich melde mich sicher bald wieder bei dir.«
    David brachte mich zum Aufzug.
    »Besten Dank, Sir«, sagte er. »Wir sehen uns. Die Welt ist ein Dorf.«
    Wir gaben uns die Hand, dann schlossen sich die Aufzugtüren. Ich fuhr nach unten und ging denselben Weg zurück, den ich gekommen war. Das Ganze war mir unangenehm, und ich ärgerte mich über mich selbst. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass ich eine Sterbeurkunde meines Vaters brauchen würde. In L.A. hatte ich ihn einfach aus meinem Kopf verbannt, tot oder lebendig. L. A. ist schließlich dafür da, die Vergangenheit zu vergessen. Aber seit ich wieder in Dublin war, rechnete ich an jeder Straßenecke damit, ihm zu begegnen, ich hatte sogar fast erwartet, dass er zur Beerdigung kommen würde. Ich war nicht bereit, ihn für tot erklären zu lassen, noch nicht. Erst brauchte ich zumindest einen Hinweis darauf, was passiert war. Wie es aussah, würde ich also doch noch eine Weile hier bleiben. Und nachdem ich mir schon das Geld für den Hinflug gepumpt hatte, brauchte ich zuallererst einen Job.
    Ich ging die Westmoreland Street entlang, überquerte die O’Connell Bridge und schaute hinunter in das grüne Wasser der Liffey. Man roch den Fluss nicht mehr. In meiner Kindheit hatte sein scheinbar allgegenwärtiger Gestank nur dann nachgelassen, wenn sich der Malzgeruch aus der Guinness-Brauerei in der James’s Street wie eine warme, betäubende Wolke über die Stadt legte. Auch die North Quays hatten sich verändert: Früher gab es hier so viele

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