Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
spärlich und unpersönlich möbliert waren, dass es sich wohl um Gästezimmer handeln musste, ein drittes Zimmer, voll gestopft mit Kunstbänden, einem silbernen Apple-Notebook, Ölfarben, Skizzenblöcken und Leinwänden auf Holzstaffeleien, und schließlich das Schlafzimmer, das dieselbe atemberaubende Aussicht bot wie das Wohnzimmer. An der Wand gegenüber dem Fenster hing ein riesiges abstraktes Gemälde: zwei große, leuchtende Farbflächen in Rot und Orange, die eine düstere, leidenschaftliche, zugleich brutale und melancholische Intensität ausstrahlten. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Linda es höchstwahrscheinlich an einem einzigen Nachmittag gemalt hatte, hätte ich es für einen echten Rothko gehalten. In der Schule hatte sie sich ein hübsches Taschengeld damit verdient, Kopien alter Meister anzufertigen und sie an Leute zu verkaufen, die ihr Vorstadtwohnzimmer mit einem Monet oder einem Renoir aufwerten wollten.
Unten aß Linda gerade eine Banane und trank einen Kaffee. Offenbar hatte sie eine Trinkpause eingelegt. Als sie mich ansah, wirkte ihr Blick ein wenig klarer.
»Bist du fündig geworden? Ist jemand eingebrochen?«
»Keine Ahnung. Aber ich habe noch drei leere Ordner gefunden.«
Ich legte sie auf den Küchentisch. »Die beiden mit der Aufschrift ›Familie‹ …«
»Darin hat Peter seine Familienfotos aufbewahrt. Die Hochzeitsfotos seiner Eltern, Kinderbilder von sich … die sind auch alle weg?«
»Was bedeutet ›Golfclub‹?«
»Keine Ahnung, was das heißen soll. Peter war in keinem Golfclub. Er spielt nicht Golf.«
»Und du bist sicher, dass er nicht damit angefangen hat?«
»Absolut. Wir haben immer noch … wir hatten uns nicht völlig entfremdet. Zumindest noch nicht.«
Ohne mir klar zu machen, dass ich die Frage stellen wollte, sagte ich: »Habt ihr euch bewusst gegen Kinder entschieden?«
Linda lief rot an und starrte ein paar Sekunden in ihre Kaffeetasse. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte mit gepresster, zitternder Stimme: »Nein. Es sind einfach keine gekommen. Es liegt an mir. Vielleicht habe ich ja zu lange gewartet. Und jetzt bin ich … steril? Nein, unfruchtbar. Eine unfruchtbare Frau. Und … ich glaube, seit wir das wissen, ist aus unserer Ehe die Luft raus. Ich habe Peter die Scheidung angeboten, aber er wollte nicht. Ich wünschte, er hätte gewollt, denn seitdem … ist es immer schlimmer geworden.«
»Und an dem Freitag wolltet ihr euch treffen, um über eine Trennung zu reden. Wusste Peter, dass das ansteht?«
»Bestimmt. Er muss es gewusst haben. Aber was spielt das für eine Rolle?«
»Es wäre ein Grund abzuhauen, dem Gespräch auszuweichen. Und wenn er wiederkommt …«
»… hat sie alles schon selbst geregelt. Würdest du das so machen?«
»Die meisten Männer machen das so: stillhalten, bis sich das Unwetter verzogen hat.«
»Bist du wie die meisten Männer?«
»Ich bin eher fürs Risiko. Aber hier geht es nicht um mich.«
»Vier Tage. Nein. Er hätte zumindest angerufen, eine Nachricht hinterlassen, damit ich mir keine Sorgen mache. Er ist ein sehr rücksichtsvoller Mann. Das hat ihm seine schreckliche Mutter eingebläut.«
»Was ist überhaupt mit Peters Eltern? Hast du mit ihnen gesprochen?«
»Sie finden, dass ich übertreibe. Barbara sagt, er hat vielleicht einfach Ruhe vor mir gebraucht. ›Du weißt ja, wie die Männer sind.‹ Dann hat sie noch gesagt, wenn ich mir wirklich solche Sorgen mache, würde sie John dazu bringen, den Polizeipräsidenten anzurufen. Wozu immer das gut sein soll.«
»Hat Dawson so viel Einfluss?«
»Das ist es ja: Früher hatte er den. Angeblich hat er so sein erstes großes Geschäft gemacht, die Häuser an der Rathdown Road, 1977. Freunde ganz weit oben, die richtigen Leute geschmiert. Aber die Zeiten sind vorbei. Barbara denkt, sie hätten immer noch Einfluss, aber ich glaube das nicht. Es ist besser, wenn sie so wenig wie möglich davon mitkriegen.«
»Wenn ich anfange herumzufragen, kriegen sie es so oder so mit.«
»Muss nicht sein. Du glaubst nicht, wie isoliert die inzwischen sind.«
»Arbeitest du manchmal an Peters Computer?«
»Ich habe mein eigenes Notebook.«
»Gestern, gegen Mittag, war jemand an seinem Computer. Ein Dokument mit dem Namen ZaK wurde geändert … gelöscht, falls es da etwas zu löschen gab.«
»Mittags. Da war ich auf der Beerdigung deiner Mutter.«
Als ob ich sie verdächtigen würde. Vielleicht tat ich das ja.
»Hat sonst noch jemand einen
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