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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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lautes Poltern, gefolgt von schrillem Juchzen und Quietschen.
    »Wenn mir die Rotzlöffel die kleine Sadie aufwecken …« Dave stürzte ins Haus zurück.
    »›Die kleine Sadie‹.« Carmel lächelte. »Sie wickelt ihn einfach um den Finger. Irgendwann bricht ihm das Mädchen noch das Herz.«
    Ich murmelte etwas von Frauen, die die Hosen anhaben, und versuchte ein schlaues Grinsen, aber mein Blick hatte mich wohl doch verraten.
    »Ed? Alles in Ordnung?«
    »Ach, du weißt schon«, sagte ich. »Die Beerdigung und das alles …«
    Ich drehte mich um, winkte und flüchtete mich zu meinem Wagen, bevor Carmel weiterfragen konnte. Ich dachte gar nicht an die Beerdigung meiner Mutter, sondern an die meiner zweijährigen Lily vor achtzehn Monaten: der winzige weiße Sarg, die Verzweiflung im Gesicht meiner Frau, die Asche, die im Meer versank. Und nichts, was das wieder gutmachen konnte, absolut nichts.
    Irgendwann bricht ihm das Mädchen noch das Herz.
     
    * **
    Als ich nach Bayview kam, war es bereits dunkel. Vor der katholischen Kirche bog ich links von der Strand Street ab, hielt auf dem Parkplatz vor dem Hennessy’s, betrat das Pub durch den Hintereingang und bestellte einen doppelten Jameson und ein Glas Wasser. Der Barmann im schwarzen Nirvana-T-Shirt hatte einen kahl rasierten Schädel und Metall an Nase, Wangen, Augenbrauen und Zunge. Als ich das letzte Mal im Hennessy’s gewesen war, ging ich noch zur Schule, wollte studieren und Arzt werden, ich lernte gerade die Frauen kennen, das Trinken, das Reden und das Leben, ich hatte noch zwei Elternteile, und auch wenn ich mich mit dem einen nicht besonders gut verstand, war das nichts, was sich nicht lösen ließ oder womit man nicht leben konnte. Ich freute mich auf mein weiteres Leben. Seitdem war alles anders geworden. Nur im Hennessy’s sah es noch genauso aus wie damals: dieselben altersschwachen, abgetretenen Teppiche, dieselben rissigen -und aufgeschlitzten braunen Kunstledersessel, aus denen die Schaumstofffüllung hervorquoll, dieselbe Musicbox, die – unglaublich! – immer noch »Hotel California« spielte. Über allem lag ein Dunst von Patschuli-Duftöl, billigem Parfum und Schweiß. Und trotz des allgemeinen Rauchverbots in den Pubs hing der Geruch nach Tabak und Gras noch in den Wänden. Ringsum hockten Typen in karierten Hemden und Bikerjacken mit vernebeltem Blick, tranken teilnahmslos und schienen auf irgendetwas zu warten. Zwei Frauen mit leeren Augen und Tattoos auf den Oberarmen tranken Cider und unterhielten sich in aufgeregtem Flüsterton, während zu ihren Füßen drei schmuddelige Kinder auf dem verschlissenen Teppich herumkrabbelten. Eine Gruppe jugendlicher Gruftis in voller Montur, mit grünlich weiß geschminkten Gesichtern und stacheligen Haaren, behängt mit schwarzem Samt, schwarzer Spitze und Krähenfedern, hielten identische dunkelrote Drinks in der Hand – wahrscheinlich Rum mit Johannisbeersaft – und befingerten die hellblauen Päckchen einer französischen Zigarettenmarke. Sie sprachen kein Wort miteinander und sahen sich nicht einmal an.
    Der Barmann brachte mir meinen Whisky. Ich goss etwas Wasser dazu, trank die Hälfte davon und bestellte dann ein Pint Guinness. Als er mir das Pint brachte, hatte ich den Jameson schon ausgetrunken und bestellte einen neuen.
    »Noch einen Doppelten?«, fragte der Barmann und musterte mich eingehend.
    »Ja, bitte«, sagte ich.
    »Trinken Sie, um zu vergessen?«, fragte er.
    »Weiß ich nicht mehr«, antwortete ich.
    Ich spülte den zweiten Whisky mit dem Stout runter und konnte mich nur schwer davon abhalten, dazu zu nicken und in die Hände zu klatschen. Der Alkohol tat seine Wirkung, spielte seinen adrenalinversetzten Beat in meiner Brust und schickte kristallklare Gedanken kreuz und quer durch mein Hirn. Für kurze Zeit war ich genau da, wo ich sein wollte: auf einem Barhocker inmitten der berauschenden Eintönigkeit des Hennessy’s, vor aller Augen und doch unsichtbar.
    Das Hennessy’s war schon immer das kleine Geheimnis von Bayview gewesen. Wenn man von den Drogen und dem Alkoholausschank an Minderjährige einmal absah, war es einfach ein Ort für Leute, die nirgendwo dazugehörten. Daddys Lieblingstöchterchen ging natürlich nicht dorthin, dafür aber ihre Schwester, die sich etwas beweisen wollte. Das Hennessy’s war der einzige Ort, wo man garantiert nichts von Rugby, Golf und solchem Zeug hörte oder auch nur Leute sah, die solche Sportarten betrieben. Die Klientel dort hatte

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