Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
schon für ganz normales Verhalten nicht allzu viel übrig und erst recht nichts für Wettkämpfe. Jetzt, da Bayview im Begriff war, sich in eine Art Themenpark für Immobilienmakler und überteuerte Restaurants zu verwandeln, für Kunstgalerien und Boutiquen, die Designer-Schokolade, Neue-Welt-Weine, französische Möbel und italienische Schuhe verkauften, war das Hennessy’s mehr denn je ein Gegengift gegen diese ganze scheißvornehme Eleganz.
Von meinem Platz aus konnte ich durch den Durchgang in die alte Public Bar hinüberschauen. Verglichen mit dieser Bar, die im Grunde nur ein breiter Schlauch war, wirkte der neuere, größere Raum, in dem ich saß, wie die Hotelhalle des Holiday Inn. Zum Teil war das eine Frage der gesellschaftlichen Stellung. Nachdem mein Vater aus der Sozialwohnung in Fagan’s Villas ausgezogen war und sich ein eigenes Haus gekauft hatte, schwor er hoch und heilig, sich nie wieder in der Public Bar des Hennessy’s blicken zu lassen. Er wollte das alles hinter sich lassen. Aber dann hatte es auch wieder überhaupt nichts mit gesellschaftlicher Stellung zu tun. Die Public Bar hatte einfach einen schlechten Ruf. In meiner Kindheit hieß es, dort wimmele es von Leuten, die einen schon niederstachen, wenn man sie nur schief ansah. Ich erinnerte mich an einen Raum voller mürrischer, verbiesterter Männer mit roten Gesichtern und von Alkohol, Zigaretten und Hoffnungslosigkeit verzerrten Mienen. Es schien sich nicht viel geändert zu haben. Freudloses Lachen drang durch die offene Tür herüber. Der Mann, den ich suchte, stand mit dem Rücken zu mir und war umringt von kichernden Speichelleckern. Er hatte breite Schultern, einen Stiernacken, und unter dem eng anliegenden weißen T-Shirt sah man deutlich die Muskeln an seinem durchtrainierten Rücken und an den gewaltigen Oberarmen. Er trug eine weiße Baseballkappe, und jeder Zentimeter sichtbarer Haut war braun gebrannt und mit Tattoos übersät, keltischen Mustern, die aussahen wie ein Gitterwerk aus schwarzen dreizackigen Metallelementen.
Ich hatte ihn wohl etwas zu auffällig angestarrt, denn jetzt tippte ihn einer seiner Kumpane an, und er drehte sich um und sah zu mir herüber. Ich hatte dieses Gesicht lange nicht mehr gesehen: die Schweinsäuglein, die Stupsnase, den viel zu großen Mund, alles verzerrt von einem höhnischen Grinsen, das ständig auf seinem breiten runden Gesicht lag. Er richtete einen dicken Zeigefinger auf mich, formte mit den Lippen meinen Namen, nahm die Kappe ab, legte sie mit großer Geste an seine Brust und verneigte sich. Dann drehte er sich wieder um und murmelte etwas, und seine Vasallen brüllten vor Lachen.
Ringsum nichts ab Verfall und Heuchelei …
Podge Halligan war schon immer ein Wichser gewesen. Er war viel breiter als wir anderen, aber das war alles Fett: Er war der einzige Halligan, den jeder problemlos verprügeln konnte. Meistens musste man nicht einmal die Rache seiner Brüder fürchten, denn die verprügelten ihn selbst ständig und waren der Meinung, dass er es verdiente. Also umgab Podge sich mit Jungs, die drei oder vier Jahre jünger waren als er und die er verprügeln konnte. Bald hatte er seine eigene kleine Gang beisammen. Sie lauerten jüngeren Kindern und alten Leuten auf. Mit fünfzehn hatte Podge versucht, zusammen mit zwei zwölfjährigen Kumpels einen Sechsundsiebzigjährigen auszurauben, der gerade seine Rente abgeholt hatte. Dummerweise war der Mann Kriegsveteran. Die beiden Zwölfjährigen rannten weg, und der alte Haudegen brach Podge den rechten Arm und drei Rippen. Leo prügelte Podge windelweich, weil er sie so zum Gespött gemacht hatte. Anschließend beschlossen seine Brüder, ihn unter ihre Fittiche zu nehmen. Er war zwar eher hinderlich als nützlich, aber wenn sie ihn im Auge behielten, konnten sie immerhin die Peinlichkeiten reduzieren.
Ich bestellte noch einen doppelten Jameson, diesmal bei einem zierlichen Mädchen mit knallroten Dreadlocks, kippte ihn runter und starrte dabei weiter Podges Rücken an. Dann ging ich quer durch den Raum und durch die Verbindungstür in die Bar hinüber. Meine Schritte hallten auf den alten Bodenfliesen. Ich ging so zielstrebig mit vorgereckter Brust auf Podge Halligan zu, dass er von seinem Barhocker herunterglitt und aus dem Kreis seiner Schlägertypen heraustrat, um mich zu begrüßen.
»Ed Loy, gut siehst du aus, Mann«, sagte er. Seine dünne Stimme war viel zu hoch für seinen massigen Körper.
»Du auch, Podge. Hast
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