Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
ermittelt haben.«
»Du weißt vermutlich, dass man das Anzeigen von Telefonnummern auch unterdrücken kann?«
»Und du weißt vermutlich, dass man diese Funktion beliebig ein- und ausschalten kann.«
»Wenn man also will, dass jemand die Nummer übermittelt bekommt …«
»Ja, wenn man das will …«
Eine lange Pause entstand. Schließlich brach Carmel das Schweigen.
»Dave regt sich über das alles furchtbar auf, Ed. Er hat mir zwar nicht direkt gesagt, dass ich Aileen Williamson anrufen soll … auch nicht, dass er dich irgendwie schützen kann, falls du Mist baust.«
»Eigentlich meinst du doch, wenn ich Mist baue.«
»Dafür liebe ich euch Männer. Ihr sagt uns Frauen immer, was wir eigentlich meinen.«
»Glaubt Dave, dass da etwas vertuscht werden soll?«
»Er hätte zumindest gern die Möglichkeit, das herauszufinden. Man hat ihm den Dawson-Fall weggenommen.«
»Warum?«
»Offiziell aus logistischen Gründen. Aber der wahre Grund ist, dass er an ehrliche Polizeiarbeit glaubt. Das Ganze stinkt zum Himmel. Aber er wird nicht aufgeben. Hilfst du ihm dabei?«
»Dazu brauche ich vertrauliche Polizeiinformationen: Autopsieberichte, ballistische Analysen.«
»Die bekommst du.«
»Carmel, bist du sicher, dass Dave da mitmacht?«
»Ich habe schon mit ihm geredet. Er meldet sich bei dir. Pass auf dich auf, Ed.«
Carmel legte auf. Ich blieb sitzen und hielt noch eine Weile den Hörer ans Ohr. Die Stille in der Leitung war wie die Stimmen der Toten. Falls sie etwas wussten, wollten sie es mir nicht sagen.
* **
Aileen Williamson wohnte in Ballsbridge in einer breiten grünen Straße mit frei stehenden viktorianischen und edwardianischen Villen. Einige davon waren Botschaften, und es waren auch ein paar vereinzelte Anwaltskanzleien und Zahnarztpraxen darunter. Alle übrigen waren Privathäuser. Die meisten waren vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden: ein geschmackvoller Anbau, eine neue Grundstücksmauer, frisch verputzte und gestrichene Außenwände. Die Autos waren teuer, aber dezent: Audi und Volvo statt Mercedes und Jaguar. Hier wohnte das alte Geld, das Vorstadt-Geld, das es nicht nötig hat aufzufallen. Ich hatte keine Vorstellung davon, was so ein Haus kostete. Wahrscheinlich war es wie in den teuren Läden, wo keine Preise auf den Waren stehen: Wer fragen muss, kann es sich nicht leisten.
Der Regen war nur das Ergebnis einer einzelnen, hitzemüden Wolke gewesen, die sich erleichtern musste; jetzt war die Luft so schwül und der Boden so warm, dass nirgends mehr Nässe zu sehen war. Der schiefergraue Himmel hatte schon wieder blauweiße Löcher.
Das Haus der Williamsons war eine dreistöckige Backsteinvilla mit Doppelfassade. In der Einfahrt lagen knirschende, helle Steinchen, von denen meine Schuhe grau wurden. Ein paar Granitstufen führten zur Eingangstür hinauf, deren Buntglasscheiben von kunstvollem Ziergebälk durchbrochen waren. Ein philippinisches Dienstmädchen im schwarzweißen Kleid führte mich um das Haus herum in den Garten. Dort war ein Gärtner dabei, einen weißen Jasminstrauch auf ein Spalier zu ziehen, ein anderer jätete Unkraut neben einer prächtigen Magnolie. Sie unterhielten sich in irgendeiner osteuropäischen Sprache, es klang wie Rumänisch. Am Ende des Gartens befand sich eine kleine hölzerne Empore, auf der ein langer Tisch aus Ahornholz mit passenden Stühlen stand.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es eine ganze Generation von Frauen gab, die fast ausschließlich Schwarz trug: Linda Dawson gehörte dazu, und Aileen Williamson offenbar ebenfalls. Sie saß am Ende des Tisches, in einem langen schwarzen Samtrock und einer schwarzen Seidenbluse. Um den langen Hals trug sie ein silbernes Kreuz. Das pechschwarze glatte Haar reichte ihr bis zur Taille, ihr ovales Gesicht war bleich und ungeschminkt, und ihre blauen Augen funkelten. Ihre schmalen weißen Hände ruhten auf einem Stapel Zeitungen. Mit einer sparsamen Geste bedeutete sie mir, mich zu setzen, dann schob sie mir wortlos die Zeitungen hin.
Die erste, ein Boulevardblatt, titelte: »DIE TIEFEN TA-SCHEN EINES TOTEN POLITIKERS«. Der dazugehörige Artikel behauptete unter Berufung auf »Quellen aus dem Umfeld der Polizei«, es sei eine hohe Summe gefunden worden, die, in Plastikbeutel gewickelt, an MacLiams Leichnam befestigt gewesen sei und bei der es sich »ohne weiteres um Bestechungsgelder« handeln könne, womit MacLiams Ruf als unbestechlicher, »engagierter Stadtrat« ruiniert sei. Beweise für
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