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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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dass die Mailbox ansprang. Ich rief die Auskunft an und fragte nach John Dawson in Castlehill. Er stand nicht im Telefonbuch. Peters Leiche sollte am Abend in der Kirche aufgebahrt werden, spätestens dort würde ich Linda sehen. Streng genommen arbeitete ich ja gar nicht mehr für sie. Aber der Tod ihres Mannes und Seosamh MacLiams Tod waren ein und derselbe Fall.
    Ich hatte immer noch nicht mit Brian Joyce und Mary Rafferty gesprochen, und nach wie vor fehlten mir die Nummern von Leo McSweeney und Angela Mackey. Allerdings fand ich die Aussicht nicht besonders reizvoll, mich mit noch mehr Lokalpolitikern zu unterhalten, die mir jeder weniger sagen würden, als ich ohnehin schon wusste. Ich rief Rory Dagg an und stellte ihm ein paar kurze Fragen zu James Kearney, dann lief ich, durch seine Antworten bestärkt, über die Seafront Plaza und betrat das Gebäude der Stadtverwaltung. Im Foyer ging ich an die Information und fragte nach dem Leiter der Bauplanungsabteilung.
    »Haben Sie einen Termin?«, fragte die Frau an der Rezeption, ohne aufzuschauen. Sie klang, als würde sie gerade kauen.
    »Eillieferung«, sagte ich und klopfte auf meine Brusttasche.
    Jetzt hob sie doch den Kopf, während sie noch schluckte, und ihre trüben blauen Augen musterten mich skeptisch. Sie war eine schwere, unförmige Frau Mitte vierzig mit Schokoladeresten um den Mund. Das braun gefärbte Haar war zu einem Pagenkopf geschnitten, der überhaupt nicht zu ihrem breiten, schwammigen Gesicht passte: Es sah aus, als trüge sie einen viel zu kleinen Hut.
    Ich klopfte noch einmal auf meine Brusttasche. Ihre Augen schienen ein wenig mehr Farbe zu bekommen.
    »Das kann ich auch hier annehmen«, sagte sie unsicher.
    »Ich muss es ihm persönlich aushändigen«, sagte ich. »Darauf haben wir uns geeinigt.«
    »Und wer ist ›wir‹ …?«
    »Eine Familienangelegenheit«, sagte ich. »Es geht um Mrs. Joseph MacLiam. Aileen Parland.«
    Ich sah ihr Gesicht beben, als sie den Namen hörte. Sie schaute nervös herum, griff dann nach dem Hörer und sprach leise hinein, entschuldigte sich ein paarmal und legte wieder auf. Dann hievte sie sich mit einem gewaltigen Seufzer hinter ihrem Tisch hervor, durchquerte mit schweren Schritten das Foyer und verschwand in einem Aufzug. Ich beugte mich über den Tisch, um zu sehen, was sie außer der Schokolade noch so gefesselt hatte. Neben der Tastatur lag ein aufgeschlagenes Rätselheft, dessen Seiten mit Schokoladenflecken und Buchstaben und Zahlen in einer großen, kindlichen Handschrift bedeckt waren. Sie tat mir Leid, und gleich darauf schämte ich mich. Ich kannte diese Gefühle in genau dieser Abfolge von meinen vielen Scheidungsfällen, bei denen man immer irgendetwas über die Leute erfuhr, was man lieber nicht wissen wollte. Aber meistens konnte man einfach nicht aufhören, bis man es erfahren hatte.
    Als sie zurückkam, hatte ich das Geld in dem Umschlag gezählt. Barbara Dawson wollte mir offenbar etwas abkaufen – mein Stillschweigen, meine Zustimmung zum Selbstmord als Todesursache ihres Sohnes, meine Bereitschaft, Linda in Ruhe zu lassen, was auch immer –, und ihr war so sehr daran gelegen, dass sie mir zwanzig Riesen dafür gezahlt hatte. Eine Menge Geld, selbst wenn man es sich leisten konnte.
    . Die Rezeptionistin ließ sich wieder auf ihren Stuhl plumpsen. Sie war rot im Gesicht, hielt den Kopf gesenkt und keuchte vernehmlich. Ich hörte Papier rascheln, dann führte sie die Hand zum Mund.
    »Oberster Stock, durch die Glastür, dann den Gang rechts, die letzte Tür«, sagte sie. Ihre Worte drangen gedämpft und abgehackt durch die süße Besinnungslosigkeit der Schokolade, in die sie zurückgekehrt war.
    Im Aufzug hörte ich das Lärmen und Klappern der Bauarbeiter im Untergeschoss. Ich dachte an den Toten, der dort zwanzig Jahre lang gelegen hatte, den Betonleichnam: Konnte es mein Vater sein? Zeitlich kam es hin, aber der Gedanke wollte einfach nicht passen: Er war doch in Australien mit einer neuen Familie, er lebte als Obdachloser auf den Straßen von London, er reparierte Autos in einer Werkstatt irgendwo in Brasilien. Ich kam überhaupt nur auf die Idee, dass er auftauchen könnte, weil ich wieder in Dublin war. Schließlich hatte ich ihn hier zurückgelassen, kurz nachdem er mich verlassen hatte. Aber im Grunde konnte er überall sein, und wahrscheinlich war er auch noch am Leben. Alle anderen Gedanken waren makaber und sentimental.
    Vor James Kearneys Büro saß eine schlanke Dame um die

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