Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Kearneys Blick, und er musterte mich eingehend. Ich hatte eine ungesunde Vertrautheit mit dem Blickwinkel der Zwerge gezeigt.
Das Telefon klingelte. Er ging zum Schreibtisch hinüber, nahm den Hörer ab und drehte mir dabei den Rücken zu. Er lauschte eine Weile, dann sagte er: »Wie immer besten Dank, Mrs. McEvoy«, und legte auf. Als er sich wieder umdrehte, erinnerte er noch mehr an einen Schullehrer, und zwar an einen, der ein Opfer sucht, um ein Exempel zu statuieren.
»Soso«, sagte er. »Wir wissen ja eine ganze Menge, hm? Über Golfclubs, Stadträte, Jack Parland und so weiter. Nur eins wissen wir nicht: Wer zum Teufel sind Sie? Wie Mrs. McEvoy mir gerade mitteilt, war Jack Parland zwar durchaus viermal verheiratet, aber sein einziger Sohn ist achtundfünfzig.«
Ich runzelte unwillkürlich die Stirn, als könnte ich damit die fehlenden Lebensjahre wettmachen.
»Und kahlköpfig«, fügte Kearney hinzu. »Außerdem wohnt er in Hongkong. Also. Vielleicht sollten wir einfach schauen, was die Polizei dazu zu sagen hat.«
Ich lächelte ihn an und nickte beifällig.
»Gute Idee«, sagte ich. »In Zweifelsfällen sollte man immer die Polizei hinzuziehen.«
Ich wedelte mit dem Umschlag voller Geld. Kearney hielt seine Hand noch einen Augenblick lang über den Telefonhörer, dann zog er sie wieder weg.
»Sie haben sich als jemand anders ausgegeben.«
»Wenn ich das nicht getan hätte, würde ich jetzt immer noch draußen sitzen. Außerdem habe ich nie behauptet, Jack Parlands Sohn zu sein.«
»Sie wurden mir aber doch als Mr. Parland angekündigt.«
»Das war Mrs. McEvoy. Vielleicht war es auch die Rezeptionistin von unten. Ich habe nur gesagt, dass ich Aileen Williamson in einer Familienangelegenheit vertrete. Da haben die beiden wohl eins und eins zusammengezählt und sieben herausbekommen. Vielleicht hat auch meine Andeutung, dass etwas dabei herausspringen könnte, ein Übriges dazu getan.«
Kearney zog die Lippen zwischen die Zähne und kniff die Augen zusammen, sodass er aussah wie ein Tier, das vor einem plötzlichen Lichtstrahl zurückweicht.
»Dann sind Sie also Journalist?«, fragte er, und es gelang ihm, abgrundtiefe Verachtung in das Wort »Journalist« zu legen.
Ich sagte ihm, wer ich war und dass ich im Auftrag seiner Witwe dem Mord an Councillor MacLiam auf den Grund ging »Und was war Ihr Ziel? Mich dazu zu bringen, das Geld zu nehmen?«
»Damit sind wir doch ganz gut vorangekommen, finden Sie nicht?«, sagte ich. »Sie waren gerade dabei, sich an einen Betrag zu erinnern, den Councillor MacLiam für Sie investieren sollte.«
Er warf einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf das Geld, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein«, sagte er.
»Nein?«
»Ich kann mich an keinen solchen Vorgang erinnern. Und ich besitze ganz sicher auch keine Aufzeichnungen darüber.«
Kearney grinste mich unvermittelt an. Er war ein Gauner und fand offenbar selbst nicht viel dabei.
»Und auch sonst weiß ich gar nicht, wovon Sie reden«, fuhr er fort. »Bestechungsgelder an Stadträte zum Beispiel, die von Peter Dawson stammen sollen. Nach meinen Aufzeichnungen gehört der Castlehill-Golfclub der Firma Courtney Estates, die hat auch die Umnutzung beantragt. Die Vorstandsvorsitzenden von Courtney Estates sind Kenneth Courtney und Gemma Grand. Solange Sie mir nicht sagen können, in welcher Beziehung die beiden zur Familie Dawson stehen, werden Ihre Behauptungen also kaum zu etwas führen.«
Kearney schloss den Deckel seiner Tupperdose, nahm die Thermosflasche und brachte beides zurück zum Schreibtisch.
»Wir haben hier also nichts weiter als einen jungen Mann, einen selbst ernannten ›Privatdetektiv‹, der versucht, einen Verwaltungsbeamten zu bestechen«, verkündete er und schaute dabei über meinen Kopf hinweg, als hätte sich plötzlich ein Haufen Fernsehkameras zu einer spontanen Pressekonferenz in seinem Büro eingefunden. »Bei einer trauernden Klientin ist es durchaus verständlich, dass sie zu verzweifelten Maßnahmen greift. Unter den gegebenen Umständen ist es wahrscheinlich besser, über diese ganze unschöne Angelegenheit den Mantel des Schweigens zu breiten.«
Und damit nahm James Kearney wieder an seinem Schreibtisch Platz, schraubte einen Füller auf und beugte sich über seine Planungsanträge – der Inbegriff des eifrigen Beamten. Draußen, über dem Hafen von Seafield, drehte sich plötzlich ein Kran und schnitt mit seinen dunklen Stahlarmen den Himmel entzwei. Aus dem
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