Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Schluck Tee nach und sagte, ohne den Blick von der Tischplatte zu heben: »Wenn Sie ›wir‹ sagen, wen meinen Sie da genau?«
»Die Witwe des Verstorbenen, Mrs. Williamson.«
»Aha. Gut. Fahren Sie fort.«
Ich nahm den braunen Umschlag mit dem Geld aus der Brusttasche und legte ihn auf den Tisch. Kearneys Blick richtete sich augenblicklich darauf.
»Nun sind wir beide realistische Menschen, da bin ich mir sicher. Wir wissen, dass bestimmte Rädchen geölt werden müssen, damit es vorangeht. So läuft das im Leben, alle tun das, und es bringt nichts, allzu streng zu sein. Sie glauben vielleicht, der verstorbene Councillor hat zu sehr den Moralapostel gegeben. Aber er war tatsächlich so. Genau diesen Mann hat Aileen geheiratet, und sie möchte, dass man ihn auch so in Erinnerung behält. Also seien Sie bitte ehrlich mit mir – ich weiß, Sie wissen Bescheid, alle Welt sagt mir dasselbe: James Kearney entgeht nichts … Uns ist bekannt, dass die Stadträte O’Driscoll und Wall so genannte Bestechungsgelder von Dawson angenommen haben. Hat Joe Williamson das auch getan? Falls nicht, wäre uns sehr daran gelegen, das Geld seinem rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.«
Ich nahm den Umschlag vom Tisch, öffnete ihn, sodass man den Stapel Scheine sehen konnte, und klopfte damit leicht auf meine Handfläche.
»Das ist natürlich nicht das eigentliche Geld, das wird von der Polizei als Beweismittel zurückgehalten. Aber es ist dieselbe Summe, zwanzigtausend in bar. Es wäre eine große Erleichterung, wenn ich der Familie sagen könnte, dass es eine ganz natürliche Erklärung für das Vorhandensein des Geldes bei der Leiche gibt.«
Kearney rutschte auf seinem Stuhl herum. Die übrigen Sandwiches waren vergessen, auf seiner Teetasse bildete sich ein leichter Fettfilm. Er schob die Zungenspitze zwischen die halb geöffneten Lippen, und während er unverwandt auf den braunen Umschlag starrte, trat ein habgieriges Glitzern in seine Augen.
»Tja«, sagte er und löste den Blick nur mit Mühe von dem Geld. »Natürlich kennen wir alle Jack Parland, zumindest dem Namen nach. Er hat dafür gesorgt, dass dieses Land wieder auf die Beine kommt. Er hat die bürokratischen Fesseln gesprengt, die uns zurückgehalten haben. Ein Visionär. Es ist sicher nicht übertrieben, ihn als großen Mann zu bezeichnen. Ja, er war wirklich ein großer Mann.«
»Ich glaube, dieser Ansicht ist er selbst auch immer noch«, sagte ich.
»O ja, und mit Recht. Aber heutzutage, muss ich leider sagen, finden Sie nur wenige, die derselben Meinung sind. Heute wollen die Leute, dass Geschäfte so einfach sind wie … wie ein Picknick. Offenheit, Transparenz, dieser ganze Kram! Als ob … Sie wissen ja, was für Leute ich meine, natürlich wissen Sie das, Sie sind der Sohn Ihres Vaters. Wenn man solchen Leuten mit Regeln und Vorschriften kommt, sagen die einem, man soll sie sich sonst wohin schieben. Und Recht haben sie.«
Kearney schob sich ein großes Stück Sandwich in den Mund. Er hatte Ei am Kinn, sein Blick heftete sich wieder auf den braunen Umschlag, und auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen.
»Recht haben sie. Zwerge machen schließlich keine Vorschriften für Riesen! Stimmt’s, Mr. Parland?«
Er brüllte inzwischen fast und verzierte dabei die Tischplatte mit Schinken- und Eikrümeln. Ich versicherte ihm, ich sei absolut seiner Ansicht. Plötzlich sah ich Kearney und mich als Zwerge, hoch über den Dächern der Stadt, während die Kranriesen voller Wut und Blutdurst immer näher kamen. Kearney gab sich selbst mit einem Kopfnicken Recht, trank seinen Tee aus, schraubte den Deckel auf die Thermosflasche und räusperte sich.
»Nun zu dem Geld. Um ehrlich zu sein, hatte ich … um ganz ehrlich zu sein, ich hatte selbst ein paar finanzielle Transaktionen mit Councillor MacLiam.«
»Ach ja?«
»Ja, in der Tat. Er hat mir einen … sogar mehrfach hat er mir einen … wie sagt man noch … einen ethisch einwandfreien Investmentfonds empfohlen, seine Frau hat da Verbindungen. Und ich hatte ihn gebeten, eine bestimmte … Summe für mich zu investieren.«
»Eine bestimmte Summe?«
Ich war gespannt, ob er wohl versuchen würde, die ganzen Zwanzigtausend an Land zu ziehen.
»Ja, fünf … ich meine, zwanzigtausend, darauf belief sich die Summe.«
Ein kleines Stocken, aber er hatte es geschafft. Rory Dagg hatte Recht behalten.
»Sehr viel Geld, um es jemandem in bar zu geben.«
Plötzlich erfüllte ein Anflug von Misstrauen
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