Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
wollen.«
»Und was haben sie mit dem Councillor gemacht, Dessie? Wollten sie ihn dazu bringen, seine Entscheidung zur Umnutzung des Golfclubs zu überdenken?«
Delaney sah mich verständnislos an und zuckte die Achseln.
»Davon weiß ich nichts, Mann.«
»Hast du gesehen, wie Podge MacLiam umgebracht hat?«
»Wieso glaubst du, dass es Podge war? Der hat so viel Zeit und Geld in den Wichser investiert, das wär doch Verschwendung gewesen.«
»Vielleicht hat der Councillor ja nicht gemacht, was Podge wollte.«
»Früher oder später hätt er’s gemacht. Wer sagt überhaupt, dass sie ihn umgelegt haben? Vielleicht war’s ja ein Unfall, Selbstmord oder so was.«
»Hattest du den Eindruck, dass er sich umbringen will?«
»Nee, aber … ich meine, das war ’n Junkie, ja? Da stehst du immer mit einem Bein im Grab.«
»Lebst du auch so, Dessie? Mit einem Bein im Grab?«
»Klar, ich sitz voll in der Scheiße, das kannste mir glauben. Sharon, meine Freundin, sagt noch zu mir, spiel nicht den großen Macker, bleib weg von Charnwood, sie machen dich nur fertig, und das machen die auch, die und Podge Halligan. Ich bin nur gefahren, ich wollte den Taxischein machen. Weil, Sharons Bruder hatte HIV und so, wenn die Wichser den nicht umgebracht hätten, wär er eh gestorben. Da hab ich mir gesagt, Scheiße, ich will nicht, dass die Kinder so aufwachsen, also sind wir hierher gezogen, ans Meer und so, die reichen Säcke brauchen ständig Taxis. Aber natürlich kannte ich noch einen von Podge Halligans Jungs aus der Schule, der hat immer ›Dessie Düsentrieb‹ zu mir gesagt, weil ich vor Jahren mal mit ihm an Autos rumgeschraubt hab, und ich brauchte die Kohle, also hab ich diese Jobs für Podge gemacht. Sonst …«
»Sonst würdest du jetzt nicht die Wohnung eines Toten verwüsten, um zu sehen, ob sich da was klauen lässt?«
»Ich hab nur nach seinem Vorrat gesucht, ja? Nur … ob irgendwo vielleicht Geld rumliegt … ich wollte ja nicht den Fernseher klauen oder so was.«
Er warf mir einen raschen Blick zu. Auf seinen Lippen lag ein gezwungenes, verschämtes Lächeln. Dann verschwand das Lächeln, und er errötete in einem Anfall harter, erbarmungsloser Selbsterkenntnis, die nur Alkohol oder eine Spritze wieder beseitigen konnte.
»Ich hätt dir nichts getan, Mann, ich schwör’s. Ich hab sonst nichts mit Messern am Hut, ich hab mir das einfach geschnappt. Ich war in Panik, ja?«
Ich musterte Dessie Delaney, der zitternd und verschwitzt vor mir stand, und überlegte, ob er sich noch ändern konnte, ob er das überhaupt wollte. Dann dachte ich an seine Kinder bei dem Geburtstagsfest bei McDonald’s; sie lachten, als hätten sie keinerlei Sorgen im Leben, als hätten sie eine wundervolle Zukunft vor sich und dieselben Chancen wie die anderen Kinder, deren Eltern am Meer wohnten.
Ich ging ins Bad und sah mir meinen Hals im Spiegel an. Delaney hatte mich nur leicht mit dem Messer geritzt. Nachdem ich das Blut abgewaschen hatte, sah es tatsächlich nicht viel anders aus, als hätte ich mich beim Rasieren geschnitten.
Ich schloss die Wohnung ab, breitete eine Mülltüte über den Beifahrersitz und fuhr Delaney in die Notaufnahme des St.-Anthony-Krankenhauses an der Seafield Avenue. Ich gab ihm meine Handynummer und sagte ihm, er solle mich anrufen, falls ihm noch etwas einfiele oder falls er meine Hilfe brauchte. Er musterte seinen Arm und warf mir dann einen langen Blick zu, wie um mir zu sagen, dass ich ihm für heute wirklich genug geholfen hatte. Seine Augen schienen sich in die Höhlen zurückzuziehen und verschwanden fast unter den misstrauisch zusammengezogenen Brauen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging in die Notaufnahme. Ich sollte Dessie Delaney nicht zum letzten Mal gesehen haben.
Dreizehn
Ich parkte an der Küstenstraße in der Nähe der Promenade. Die Mittagssonne brannte bläuliche Löcher in den weißgrauen Dunst, der seinen üblichen Sommeraufenthalt am Himmel über Dublin absolvierte, die Segelyachten und die Schwimmer amüsierten sich wieder auf dem schwellenden Meer, und mein Hemd klebte mir verschwitzt am Rücken. Ich zog das Sakko aus, ging zum Orchesterpavillon hinüber und dann über die Haupttreppe zur unteren Promenade. Wo gestern noch ein Toter gelegen hatte, stand jetzt ein Grüppchen magerer, braun gebrannter kleiner Jungs in grünweißen Fußballtrikots. Sie waren gerade dabei, ihre Angeln auszuwerfen.
Ich wählte Linda Dawsons Nummer, aber es klingelte einfach, ohne
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