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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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Uhr, er schien auf jemanden zu warten. Ich gab dem alten Mann den Feldstecher zurück. Er nickte, verbeugte sich leicht und nahm seinen Kontrollgang wieder auf. Seine leeren Blicke zogen wie Schleppnetze über die schwappende Wasseroberfläche.
    Ich drehte mich um und zuckte zusammen: Hinter mir stand Cyril Lampkin, ein sorgenvolles Lächeln auf seinem runden, rosigen Gesicht. Er trug einen hellbraunen Safarianzug aus schwerem Baumwollstoff und eine senffarbene Ascot-Krawatte und sah auch diesmal aus, als hätte er sich fürs Theater kostümiert. Nur spielte er jetzt eine andere Rolle als bei unserer ersten Begegnung.
    »Mr. Loy. Der Royal Seafield Club möchte Ihnen sein tiefes Bedauern aussprechen … unser vollstes Verständnis und unsere Unterstützung für Ihre Arbeit«, sagte beziehungsweise stammelte er in salbungsvoll-priesterlichem Ton. »Hätten wir an jenem Tag geahnt, was passieren würde, was bereits passiert war … dass so etwas überhaupt passieren kann … niemals, soweit die gesammelten Erinnerungen des Clubs zurückgehen … falls ich Ihnen also in irgendeiner Form behilflich sein kann, Ihnen oder der Familie Dawson … in dieser so schweren Zeit …« Er untermalte seine Satzfragmente mit einer wahren Fülle dramatischer Gesten und klimperte dazu mit den karottenfarbenen Wimpern.
    »Wo ist Peters Boot?«, fragte ich.
    »Im Bootshaus. Nachdem die Polizei mit der … technischen Inspektion fertig war, schien es uns das Beste, es … nicht im Freien zu lassen … schließlich gibt es ja immer Schaulustige … Menschen mit unlauteren Absichten …«
    »Wer ist das?«, unterbrach ich ihn und deutete auf den alten Mann in der königsblauen Uniform, der jetzt an der Wasserlinie Halt gemacht hatte, zwischen den leeren Liegeplätzen hockte und aufs Meer hinausschaute.
    Cyril Lampkins Miene nahm sofort wieder ihren natürlichen Ausdruck von Hochnäsigkeit und Märtyrertum an: Er rümpfte die Nase und verdrehte gleichzeitig die Augen.
    »Wir nennen ihn den Geisterkapitän. Er ist das älteste aktive Mitglied, man wird ihn also nicht mehr los. Man sollte ja meinen, dass er nach all den Jahren endlich darüber hinweg ist. Aber für ihn scheint alles nur noch realer geworden zu sein. Immerhin kommt er jetzt nur noch einmal im Jahr, am Jahrestag.«
    »Was für ein Jahrestag?«
    »Sein Bruder ist ertrunken. Über Bord gegangen. Ich glaube, sie waren beide betrunken, es war mitten in der Nacht, sie hätten gar nicht unterwegs sein dürfen. Sie waren Zwillinge, es war ihr einundzwanzigster Geburtstag, sie hatten das Boot geschenkt bekommen. Das war gleich nach dem Krieg, sie waren beide bei der Königlichen Marine gewesen. Der eine war viel zu besoffen zum Schwimmen und ist ertrunken, der andere war zu besoffen, um ihn zu retten, und ist noch am Leben. Mummy hat mir das alles erzählt. Er war so eifersüchtig auf die Verlobung seines Bruders, dass er ihn über Bord gestoßen hat, und dann hat er sich als sein Zwillingsbruder ausgegeben und das Mädchen geheiratet. Aber sie hat es herausgefunden, und auf den Tag genau ein Jahr später ist sie bei Flut mit dem Boot hinausgefahren, um ihren verlorenen Geliebten zu suchen, sagt Mummy. Keiner von beiden wurde jemals gefunden. Das Boot ist auch verschwunden. Es wurde nicht mal Treibholz angeschwemmt.«
    »Und jetzt kommt er jedes Jahr hierher und tut … was?«
    »Früher kam er sogar jeden Tag. Aber ja, was tut er? Vielleicht sucht er nach ihnen? Treibt ihn die Reue oder vielleicht die Eifersucht? Schließlich ist er ja allein, und die beiden sind im Tod vereint. Und wozu braucht er den Feldstecher? Glaubt er wirklich, sie am Horizont zu sehen, seinen Bruder und seine Frau, die nach Hause zurückkehren, um ihm zu vergeben?«
    Lampkin sprach mit leiser, bebender Stimme, als würde er den Text seiner Lieblingsarie aufsagen.
    »Und wenn sie das wirklich täten, was würde er dann machen? Hallo sagen und sie noch einmal umbringen?«
    »Sagen Sie so etwas nicht, Mr. Loy. Es wurde nie Anklage erhoben. Und Mummy ist eine solche Klatschbase, vielleicht haben sie und ihre Nähfreundinnen sich das alles nur ausgedacht. Jeder Verein, der etwas auf sich hält, sollte ein dunkles Geheimnis haben. Unseres ist eben der Geisterkapitän.«
    »Es scheint ihn jedenfalls sehr zu quälen«, sagte ich.
    »Ja. Mag sein. Es ist ja auch alles sehr traurig.«
    Cyril Lampkin schüttelte knapp den Kopf, als wäre Traurigkeit ein Luxus, den man sich als viel beschäftigter Mensch nicht leisten

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