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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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konnte. Die orangegesichtigen Blondinen kreischten wie ein Schwarm Möwen, und ihr Lachen kratzte am Nachmittagshimmel wie Fingernägel über eine Tafel. Der Geisterkapitän sah erschrocken zu ihnen auf und wandte sich dann wieder seiner einsamen Totenwache zu. Sein Blick ging jetzt ins Wasser hinunter, und ich fragte mich, wessen Gesicht er dort sah: das seines Bruders oder sein eigenes. Vielleicht wusste er ja selbst nicht mehr, wer er war.
     
    * **
    Der Bootsmann Colm hieß mit vollem Namen Colm Hyland, wie ich von Cyril Lampkin erfuhr. Als ich den Yachtclub verließ, saß er noch in dem hellblauen Unterstand am Seafield-Pier. Doch als ich dort ankam, war er verschwunden, aber er war nicht weit gekommen. Ich kletterte auf die Mauer oben am Pier und sah ihn von dort aus in Richtung Straße gehen. Mit etwa fünfzehn Metern Abstand folgte ich ihm. Erst dachte ich, er sei auf dem Rückweg zur Arbeit, aber dann ging er am Royal Seafield Club vorbei und noch einen halben Kilometer weiter, bog nach rechts zum Meer ab, überquerte die Eisenbahnbrücke und ging bis zum neuen Fährhafen: ein glänzender Glasbau, den ich noch nicht kannte. Dort bog er noch einmal nach rechts ab und ging über einen schmalen Weg bis zu einer verlassenen Straße, in deren Asphaltrissen Gras und Unkraut wucherten. Auf der einen Seite befand sich eine stillgelegte Bahnstrecke hinter einer niedrigen Steinmauer. Jenseits der Schienen stand eine höhere Mauer, dahinter lag der Hafen. Weiter vorn, am Westpier, sah ich das flache Dach des halbrunden Fährhauses, an das ich mich noch von früher erinnerte, und dahinter auf dem Dock die leer stehenden Hafengebäude. Vor dem Haus parkte ein weißer Van, und als Hyland näher kam, stiegen zwei Männer aus. Der eine hatte zwei volle Einkaufstüten und eine Zweiliterflasche Wasser dabei. Ich sprang über das niedrige Mäuerchen, hockte mich auf die überwucherten Schienen und beobachtete, wie die drei Männer an die Tür des Fährhauses klopften. Ein Sicherheitsbeamter in dunkelblauer Uniform öffnete und ließ sie herein. Ich schlich weiter die kaputten, verbogenen Schienen entlang, arbeitete mich zwischen Gestrüpp und Brennnesseln hindurch, zwischen Farnbüschen und knackenden Ginstersträuchern, bis ich schließlich den Eingang eines abgeriegelten Tunnels erreichte: Der Zug setzte seine Fahrgäste früher direkt am alten Fährhafen ab. Jetzt war ich noch etwa zwanzig Meter von der Tür des Fährhauses entfernt. Ich kauerte mich hinter das Mäuerchen, verscheuchte ein paar Wespen und wartete. Es dauerte gar nicht lange. Etwa eine Viertelstunde später kam Hyland mit den beiden Männern wieder nach draußen. Ich glaubte, den einen an seiner blauen Baseballkappe zu erkennen, und als er sich umdrehte, sah ich, dass er schwere Blutergüsse im Gesicht und einen dicken Verband auf der Nase hatte. Er gehörte zu Podge Halligans Gang: Zuletzt hatte ich ihn im Hennessy’s gesehen, wo ich ihm die Nase gebrochen und er den Vorschlag gemacht hatte, mir auf dem Parkplatz den Rest zu geben.
    Hyland stieg mit Blaukappe und dem anderen Kerl, der jetzt weder Einkaufstüten noch Wasser bei sich hatte, in den weißen Van. Sie fuhren davon. Ich wartete noch ein paar Minuten, dann sprang ich über die Mauer und ging zum Fährhaus hinüber. Als der Sicherheitsmann öffnete, fragte ich ihn, wie ich mit der Fähre nach Holyhead käme. Er schickte mich zum neuen Fährhafen. Ich bedankte mich und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Das Logo auf seiner Uniform war das gleiche wie auf dem Sicherheitstor vor Linda Dawsons Haus: George Halligans Firma, Immunicate.
    * **
    Wenn man weiß, was man vorhat, ist es nicht besonders schwierig, sich durch den Pinienwald an der meerzugewandten Seite von Castlehill zu schlagen, den mit Gestrüpp und Ginster bewachsenen Berg hinaufzuklettern und das vergleichsweise kurze Stück nackten Fels zu überwinden, um zu Linda Dawsons Haus zu gelangen. Man muss auch nicht die ganze Strecke klettern, nur die letzten fünfzehn Meter. Für das Felsstück selbst sollte man besser Bergstiefel, einen Hammer und Haken dabeihaben, aber wenn man einmal die Hälfte ohne Ausrüstung geschafft hat, ist es eventuell sogar einfacher weiterzuklettern, als wieder umzukehren. Der Fels bietet durchaus genügend Tritte und Vorsprünge, auch wenn es sicherlich hilfreich wäre, die vorher zu kennen und nicht erst danach suchen zu müssen, wenn man bereits sechzig Meter über dem Boden hängt. Sobald man oben ist,

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