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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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nickte.
    In dem Moment wurde die Wohnungstür aufgezogen.
    Vor mir stand ein Geist.
    Ich hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren.
    »Annie«, sagte der Geist und nahm mich in die Arme.
    Es war ein Mensch aus Fleisch und Blut.
    »Leo«, sagte ich. »Leo, Leo!« Mein Kopf begann zu pochen, ich bekam keine Luft mehr. Ich betastete seine Wangen und Arme, kniff und zupfte an ihm, um mich zu vergewissern, dass er es wirklich war. »Aber wie ist das möglich?«, murmelte ich. »Wie nur?« Ich sah in seine hellblauen Augen. Zog an seinen schwarzen Locken. Vergrub das Gesicht an seiner Brust, um ihn zu riechen.
    »Ich habe meinen Tod vorgetäuscht, um zurück nach New York zu kommen«, erklärte Leo.
    »Was hast du?« Es war völlig abstrus, dass mein Bruder so etwas sagte.
    »Ich hatte Heimweh, Annie. Natty und du, ihr habt mir so gefehlt. Und ich hatte Langeweile. Ich konnte dort nicht länger bleiben. Sei mir bitte nicht böse!«
    Ich hatte wirklich Schwierigkeiten zu atmen, war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.
    »Oh Leo, das hättest du wirklich nicht tun dürfen.« Seine Rückkehr würde mir mehr Probleme bereiten, als ich mir auch nur ansatzweise vorstellen konnte, dennoch war mein Herz voller Freude. »Natty!«, rief ich. »Komm her!«
    Sie trat hinter der Ecke hervor. »Leo?«, fragte sie. Dann wurde sie ohnmächtig.
    Leo und ich nahmen sie hoch und brachten sie in die Wohnung.
    Im Wohnzimmer waren Simon Green und ein japanisches Mädchen, das ich nicht kannte.
    Böse funkelte ich Simon an. »Was machst du denn hier?«
    »Er hat mir bei der Planung geholfen«, erklärte Leo. »Nachdem Yuji Ono im Herbst sagte, du würdest untertauchen, wendete ich mich an Simon Green. Ich wollte nicht, dass Natty ganz allein bleiben musste.«
    Bedeutete das, der Anschlag auf Leo war vorgetäuscht gewesen? Dabei wusste ich genau, dass die Attentate auf Natty und mich echt gewesen waren. Warum waren diese drei an einem Tag geschehen? Was hatte das zu bedeuten?
    Ich setzte mich auf die Couch. »Simon, warum hast du mir nicht gesagt, dass Leo noch lebt?«
    Der junge Anwalt nahm seine Brille ab und putzte sie mit seinem Hemd. »Weil ich wahrscheinlich dachte, du würdest es mir nicht glauben. Nicht angesichts des schrecklichen Zufalls, dass die Mordanschläge auf Natty und dich am selben Tag stattfanden. Mir wurde klar, dass Sophia irgendwie von Leos und meinen Plänen erfahren haben musste und sie zu ihrem Vorteil nutzen wollte.«
    Das japanische Mädchen lächelte mich freundlich an. Sie war zwar erkennbar eine Frau, aber nur so groß wie ein Kind, hatte dünne Glieder und keine erwähnenswerte Oberweite. »Entschuldigung«, sagte ich. »Wer bist du?«
    »Das ist Noriko«, sagte Leo. »Sie spricht nicht gut Englisch, aber sie lernt es. Sie ist die Nichte von Yuji Ono. Und sie ist meine Frau.«
    »Du bist verheiratet?« Das war zu viel für mich. »Leo?!«
    Noriko hielt mir die Hand hin. An ihrem Finger war ein silberner Ring.
    Natty kam wieder zu sich. »Leo?«, fragte sie. »Leo?« Sie begann zu weinen.
    »Oh Natty, bitte nicht.« Leo wischte ihre Tränen mit seinem Ärmel ab. Er setzte sich neben sie auf die Couch, und sie umarmten sich eine ganze Weile.
    Ich stand auf, um ihnen ein wenig Privatsphäre zu geben. Auch wenn ich überglücklich war, dass Leo noch lebte, konnte ich mir nicht leisten, mich von diesem Moment überwältigen zu lassen. Es gab zu viele Dinge, die ich klären musste. Ich ging nach draußen auf den Balkon, und Simon Green schob sich an mich heran. »Du musst wissen, Anya, dass ich niemals etwas tun könnte, dass dir, Natty oder Leo schadet.«
    »Sophia Bitter hat gesagt, du hättest ihr bei der Vergiftung der Schokolade geholfen«, sagte ich.  
    »Das stimmt nicht!«
    »Warum sollte sie es behaupten, wenn es nicht stimmt?«
    »Sie lügt, Anya, ich nehme an, sie will nur ihre Spuren verwischen. Jemanden als Sündenbock hinstellen, den sie für verwundbar hält.«
    Ich sah in Simon Greens Augen, Augen so hell wie die von Leo, Daddy und mir. »Wer bist du?«, flüsterte ich.
    »Ich weiß es nicht genau, Annie. Aber ich kann dir sagen, was ich inzwischen glaube.« Er nahm meine Hand. »Ich glaube, dass ich dein Halbbruder bin. Ich glaube, dass dein Vater deshalb für mich gesorgt hat.«
    »Weiß er das?« Ich wies auf Leo.
    Simon schüttelte den Kopf. »Nein. Du bist das Familienoberhaupt, es ist deine Entscheidung, wann du es Leo und Natty erzählen willst.«
    Ich sagte, dass ich das zu schätzen wüsste.

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