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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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und Gable Arsley an eurem Tisch essen. Ich finde, das sollten wir tun.«
    »Warum? Damit ich den Jungen, den ich mal geliebt habe, mit seiner neuen Freundin aus nächster Nähe bewundern kann?«
    Alison neigte den Kopf zur Seite und musterte mich. »Glaubst du, dass du das sehen wirst?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ja, schon.«
    Sie nickte. »Klar. Ich muss ja sehr grausam sein.«
    Ich schwieg.
    »Vielleicht finde ich es einfach nur gut, dass Win Freunde hat. Der Wahlkampf seines Vaters ist sehr hart für ihn, Annie.«
    Es wäre mir lieber, wenn sie mich nicht Annie nennen würde. Langsam entwickelte ich eine richtige Abneigung gegen Alison Wheeler.
    Am nächsten Tag bekam ich ein B in meinem Test, und Win und Alison setzten sich zu uns an den Tisch.
    Auch wenn ich versucht hatte, Alison Wheeler von dieser Idee abzubringen, war das Essen lebhafter als bisher mit Gable und Scarlet. Scarlet war nicht so langweilig, Gable nicht so mürrisch. Alison Wheeler war sonderbar, aber klug und hatte einen trockenen Humor. Und Win, nun ja, was ich für ihn empfand, ist ja hinlänglich bekannt – ich habe meine Gefühle erschöpfend und wahrscheinlich auch jämmerlich genau beschrieben. Es genüge die Feststellung, dass Win und ich uns seit dem Tag in der Klinik nicht mehr nahegekommen waren, und man könnte meinen, das Essen sei quälend für mich gewesen, doch so war es nicht. Win mit seiner neuen Freundin zu sehen war einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte.
    Erst am Freitag erwischte ich ihn einmal alleine. Alle anderen hatten aus diesem oder jenen Grund den Mittagstisch früher verlassen müssen, so dass er und ich allein zurückblieben, nur durch den knorrigen Holztisch und Tabletts mit zerstocherter Lasagne voneinander getrennt.
    »Ich muss los«, sagte er, ohne sich zu bewegen.
    »Ich auch«, erwiderte ich, machte aber auch keine Anstalten aufzustehen.
    »Du musst …«, begann er.
    »Wie ist …«, sagte ich gleichzeitig.
    »Du zuerst«, meinte er.
    »Ich wollte dich nach dem Wahlkampf deines Vaters fragen«, erklärte ich.
    Win schmunzelte. »Das ist was ganz anderes, als ich sagen wollte, aber da du gefragt hast: Ich glaube, Dad wird gewinnen.« Er schaute mir in die Augen. »Du verachtest ihn bestimmt.«
    Meine Gefühle für Charles Delacroix waren ungefähr so vielschichtig wie die für seinen Sohn. In gewisser Hinsicht bewunderte ich Wins Vater. Er war ein würdiger Gegner gewesen. Andererseits hasste ich ihn auch. Doch es kam mir gemein vor, seinem Sohn das zu sagen. Ich hielt lieber den Mund.
    »Ich würde ihn auch gerne hassen können, aber er ist mein Vater«, sagte Win. »Und ich glaube, dass er trotz allem einen sehr guten leitenden Staatsanwalt abgeben wird. Der Wahlkampf …« Er verstummte.
    »Ja?«
    »Es kommt einem vor, als würde er ewig dauern, aber das stimmt nicht, Annie.« Plötzlich griff Win über den Tisch nach meiner Hand. Instinktiv entzog ich sie ihm.
    »Dürfen sich Freunde nicht die Hand geben?«, fragte er.
    »Ich denke, du weißt, warum ich dir nicht die Hand geben kann.«
    Ich stand auf, nahm mein Tablett und knallte es auf das Förderband, das in die Küche führte. Soße spritzte mir auf den Pulli.
    Es klingelte zur nächsten Stunde. Als ich den Speisesaal verlassen wollte, legte mir jemand eine Hand auf die Schulter. Ich drehte mich um. Es war Dr. Lau, meine Lehrerin in Rechtsmedizin. Sie war das einzige Mitglied des Lehrkörpers, das mich im Frühjahr verteidigt hatte, und daher nicht überraschend die Einzige, die sich freute, mich wiederzusehen. »Anya«, sagte sie, »das würde ich nicht tun.«
    »Was?«, fragte ich unschuldig.
    Ich begab mich zum Kurs »Geschichte des 21 . Jahrhunderts«, wo wir gerade begonnen hatten, die Geschehnisse zu untersuchen, die zur zweiten Prohibition führten. Viele der fettgedruckten Namen kannte ich persönlich.



IV. Ich werde einmal überrascht und dann noch ein zweites Mal
    Ich hatte vor, am Freitagabend zu Hause zu bleiben, doch Scarlet bestand darauf, dass ich mit ihr und Gable ausging. »Ach, komm, Annie, das wird bestimmt lustig.«
    Ich sagte, ich sei müde.
    »Seit du von Liberty zurück bist, hast du nicht ein einziges Mal was unternommen. Du kannst nicht den Rest deines Lebens mit Natty und Imogen zu Hause verbringen. Wir machen uns schick und gehen in einen von unseren Läden von früher. Wie wär’s mit dem von deinem Cousin Fats?«
    Es gab nichts, wohin ich weniger gern gehen wollte, höchstens noch ins Little

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