Edelherb: Roman (German Edition)
Katastrophe sein kann.«
Er zuckte mit den Schultern. Dieser Mann war in seiner Coolness möglicherweise der provokanteste Mensch, den ich je gekannt hatte.
»Warst du mal mit Sophia Bitter zusammen?«, wollte ich wissen.
Yuji grinste mich an. »Betreiben wir heute Abend archäologische Forschungen und graben alte Dinge aus?«
»Das ist keine Antwort.«
»In erster Linie war sie eine Schulfreundin«, sagte Yuji nach einer ziemlich langen Pause. »Sie war meine beste Freundin in der Schule.«
»Warum hast du mir das auf ihrer Hochzeit nicht erzählt?«, fragte ich.
»Das war unwichtig.«
»Dann ist mein Privatleben auch unwichtig.«
Schweigend fuhren wir über die Madison Avenue.
Ich schloss die Finger um den Löwen, betastete die Kanten und Unebenheiten. Yuji legte seine Hand um meine Faust. »Siehst du – unsere Leben sind miteinander verbunden.«
Seine Hand war eiskalt, aber fühlte sich nicht völlig unangenehm an.
Der Wagen bog auf die 90 th Street ab, wo ich wohnte. Ich öffnete die Tür.
»Tut mir leid, dass wir uns gestritten haben«, sagte er. »Ich … Es liegt daran, dass ich dich … als Teil von mir sehe. Aber das sollte ich nicht tun.«
Ich ging nach oben, in Nattys Zimmer. Sie war bereits eingeschlafen, trotzdem weckte sich sie auf.
»Natty«, flüsterte ich.
»Was ist?«, fragte sie schlaftrunken.
Ich hielt ihr meine offene Handfläche hin, damit sie den hölzernen Löwen sehen konnte.
»Von Leo? Der ist von Leo, nicht?« Ihre Augen funkelten hellwach.
Ich nickte.
Sie nahm den Löwen und drückte einen Kuss auf seinen Kopf. »Werden wir ihn jemals wiedersehen?«
Ich erwiderte, dass ich es hoffte, dann ging ich selbst ins Bett.
Ich hatte so gut wie nicht geschlafen, als ich von einem Klopfen an der Wohnungstür geweckt wurde: » POLIZEI !«
Die Uhr zeigte 5 . 12 Uhr. Ich schlüpfte in meinen Morgenmantel und ging zur Tür. Durch das Guckloch sah ich tatsächlich zwei uniformierte Polizeibeamte im Gang stehen. Ich öffnete, nahm die Sicherheitskette jedoch nicht ab. »Was wollen Sie?«
»Wir möchten zu Anya Balanchine«, sagte einer der beiden.
»Das bin ich.«
»Sie müssen uns die Tür öffnen, Ma’am. Wir sind hier, um Sie wieder nach Liberty zu bringen«, erklärte er.
Ich befahl mir, ruhig zu bleiben. Hinter mir im Flur hörte ich Natty und Imogen. »Annie, was ist da los?«, fragte meine kleine Schwester.
Ich ignorierte sie. Ich musste mich konzentrieren. »Auf welcher Grundlage?«, fragte ich den Beamten.
»Verstöße gegen die Bewährungsauflagen.«
»Was für Verstöße?«
Der Polizist sagte, er habe keine weiteren Informationen – nur die Anweisung, mich wieder nach Liberty zu bringen. »Bitte, Ma’am, wir müssen Sie mitnehmen.«
Ich sagte, ich würde mitkommen, bräuchte aber einen Moment, um mich anzuziehen.
»Fünf Minuten«, sagte er.
Ich schloss die Tür, ging den Flur entlang und versuchte abzuwägen, welche Möglichkeiten ich hatte. Fliehen konnte ich nicht; es gab keinen anderen Weg aus der Wohnung, außer mich aus dem dreizehnten Stock zu stürzen. Im Übrigen wollte ich auch gar nicht flüchten. Meiner Meinung nach konnte das alles nur ein Formfehler sein. Ich beschloss, die Polizeibeamten zu begleiten und mir später den Rest zusammenzureimen. Imogen und Natty standen am Ende des Flurs. Beide schienen auf meine Anweisungen zu warten. »Imogen, Sie müssen Mr. Kipling und Simon Green verständigen.«
Imogen nickte.
»Und was soll ich tun?«, fragte Natty.
Ich gab ihr einen Kuss aufs Haar. »Mach dir einfach keine Sorgen.«
»Ich werde für dich beten«, erwiderte sie.
»Danke, meine Süße.«
Ich eilte in mein Zimmer, nahm meine Halskette ab und zog meine Schuluniform über. Dann ging ich ins Bad, wo ich mir ein bisschen Zeit nahm, um mir die Zähne gründlich zu putzen und das Gesicht zu waschen. Ich betrachtete mich im Spiegel.
Du bist stark,
sagte ich mir.
Gott erlegt dir nur Dinge auf, die du auch ertragen kannst.
Wieder wurde gegen die Wohnungstür geschlagen. » ZEIT IST UM !«, rief ein Polizist.
Ich ging zum Eingang, wo Natty und Imogen mich mit bestürzten Gesichtern ansahen. »Wir sehen uns bald wieder«, sagte ich zu ihnen.
Dann löste ich die Kette von der Tür und zog sie weit auf. »Ich bin so weit«, sagte ich.
Einer der Beamten hielt mir Handschellen entgegen. Ich wusste, wie das lief, und streckte ihm meine Handgelenke hin.
In Liberty wurde ich nicht ins Aufnahmezimmer gebracht wie bei meinen ersten
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