Edelherb: Roman (German Edition)
tat an der Stelle weh, wo der Einstich war. »Ehrlich gesagt, Mr. Delacroix, war es mir egal. Ich wollte einfach wieder zur Schule gehen. Ich hatte versucht, eine andere zu finden, aber mit der Vorstrafe wegen Waffenbesitzes wollte mich niemand nehmen.«
Er schnalzte mitleidig. »Unser System macht es Menschen auf Bewährung ganz schön schwer, sich an die Gesetze zu halten.«
»Von wem kam denn die Spende?«, fragte ich.
»Die Spender des Geldes sind« – Delacroix machte eine theatralische Pause – »die Unterstützer von Bertha Sinclair.«
»Bertha Sinclair?« Der Name kam mir bekannt vor, und wenn mein Kopf nicht so gedröhnt hätte, wäre ich vielleicht in der Lage gewesen, ihn zuzuordnen.
»Oh, Anya, jetzt bin ich aber furchtbar enttäuscht. Verfolgst du den Wahlkampf denn überhaupt nicht? Ms. Bertha Sinclair ist die Kandidatin der Unabhängigkeitspartei für den Posten des leitenden Staatsanwalts. So wie es momentan aussieht, könnte sie mich sogar schlagen.«
»Gut.«
»Das tut mir weh, wenn du das sagst. Du willst einfach nur gemein sein«, sagte Charles Delacroix.
»Wer von uns beiden hockt denn wie ein Hund in einem Verschlag?«
»Um noch einmal auf die Unterstützer von Bertha Sinclair zurückzukommen: Der Wahlkampf der lieblichen Bertha bekam erst durch diesen unglücklichen Busunfall so richtig Schwung. Freut mich übrigens, dass du nicht verletzt wurdest. Und weißt du zufällig, wie dieser Schwung zustande kam?«
Ich nickte langsam. Es war so, wie Mr. Kipling gesagt hatte. »Weil die Nachricht dafür sorgte, dass Ihr Name, mein Name und der von Win wieder in einem Atemzug genannt wurden. Durch unsere Freundschaft wirken Sie korrupt. Aber Sie brauchen das Image eines Saubermanns.«
»Bingo. Du bist die klügste Siebzehnjährige, die ich kenne. Jedenfalls haben die Freunde von Bertha Sinclair, gar nicht dumm, einen Plan ausgeheckt, der dich und meinen unglückseligen Sohn wieder zusammenführen sollte. Sie mussten nur noch auf ein Foto von euch beiden zusammen warten. Auf einen Kuss. Ein Date. Da ihr das jedoch nicht geliefert habt, nahmen sie das, was sie bekommen konnten. Eine unüberlegte Sekunde, als Win über dem Tisch nach deiner Hand griff.«
Meine Wangen brannten bei der Erinnerung. Ich war dankbar für die schwache Beleuchtung.
»Ehrlich gesagt, wundere ich mich, dass er sich so lange zurückgehalten hat. Win ist nicht gerade bekannt für seine Selbstbeherrschung. Der Junge ist wie seine Mutter – viel Herz, wenig Verstand. Seine Schwester Alexa, die war so wie ich. Mutig und vernünftig. Eigentlich war sie wie du. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum der Junge dich so anziehend findet.«
Ich schwieg.
»Also, um es zusammenzufassen: Jedes Mal, wenn über die Beziehung von Win und dir berichtet wird, können die Medien mir unterstellen, dass ich korrupt bin, ohne dass die Leute von Sinclair auch nur einen Pieps von sich geben müssen.«
»Aber das ist doch jetzt vorbei«, wandte ich ein. »Das Foto wird morgen gedruckt. Und damit ist es Geschichte. Sie bekommen einen kleinen Dämpfer, danach haben es alle vergessen.«
»Nein, Anya. Das ist nur der Anfang. Sie werden dich jeden Tag nach der Schule abfangen. Sie werden versuchen, Fotos von dir in der Klasse zu machen. Weil deine Freunde jung und arglos sind, werden sie Wege finden, die Presse mit Fotos zu versorgen. Da braucht Win nicht mal mehr deine Hand zu halten, damit die Presse wieder mit dieser Geschichte kommen kann. Es reicht, wenn er nur neben dir steht. Wenn jemand sagt, Win war im selben Gebäude wie du. Dieses Bild ist der Wendepunkt, verstehst du das nicht?«
»Aber Win hat doch eine Freundin! Können Sie das nicht einfach der Presse sagen?«
»Man wird behaupten, dass Bilder nicht lügen und dass Alison Wheeler eine Marionette ist.«
»Eine Marionette?«
»Eine Strohfrau. Eine Inszenierung. Jemand, der in meinem Auftrag handelt, damit es so aussieht, als seiest du nicht mehr mit Win zusammen.«
»Aber ich bin nicht mehr mit ihm zusammen!«
»Das glaube ich dir ja. Und wenn die Umfragen besser wären …« Charles Delacroix sah mich mit müden Augen an. »Ich habe überlegt, was ich tun soll, und mir ist nur eine Lösung eingefallen, die dieser Geschichte ein Ende macht.«
»Mich wieder hier reinstecken? Aber ich habe nicht gegen unsere Abmachung verstoßen! Sie können doch niemanden einlochen, nur weil er Ihrem Sohn die Hand gegeben hat. Ich werde dafür sorgen, dass Mr. Kipling an die Presse
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