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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Dabei wusste ich kaum, wie ich diese Namen überhaupt richtig aussprechen sollte.
    Ich bedankte mich bei dem Matrosen für die Überfahrt.
    »Gern geschehen. Ein kleiner Tipp?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Lassen Sie die Hände in den Taschen«, erwiderte der Matrose.
    »Warum?«
    »So sehen keine Jungenhände aus.«
    Nun, die Hände von diesem Jungen schon,
wollte ich am liebsten erwidern. Was ging ihn die ganze Sache überhaupt an? Ich war im Namen von Adam Barnum empört und fragte so herrisch wie möglich: »Wo finde ich El Adoquin?«
    »Sie sind schon beinahe da. El Adoquin liegt parallel zur Playa Principal.« Er zeigte mir die Richtung und ruderte wieder davon. Ich riss meinen Schnurrbart ab und stopfte meine verräterisch weiblichen Hände in die Hosentaschen.
    Zu Fuß ging ich zum großen Platz. Meine Kleidung war dick, passend für den Herbst in New York, und mir wurde langsam schwindelig von der hohen Luftfeuchtigkeit. Dass ich, abgesehen von einem mehr als überreifen Apfel, seit mehreren Tagen nichts gegessen hatte, mochte auch zu dem Schwindelgefühl beitragen. Mein Magen war leer und übersäuert, mein Kopf pochte.
    Es war Mittwochmorgen, und trotz meiner ungepflegten Erscheinung wurde ich nicht sonderlich beachtet.
    Ein Trauerzug ging die Straße hinunter. Der Sarg war mit roten Rosen bedeckt, an Stöcken wurde eine Skelett-Marionette in die Höhe gehalten. Die Frauen trugen schwarze Spitzenkleider, die ihnen bis zu den Fersen reichten. Ein Akkordeon seufzte, die Leute sangen eine fremd klingende Melodie, die sich anhörte wie ein Klagelied.
    Ich bekreuzigte mich und ging weiter. Da kam ich an einem Schokoladengeschäft vorbei – ausgerechnet! Ich hatte noch nie eines in aller Öffentlichkeit gesehen wie hier. Im Schaufenster stapelten sich kleine runde Schokoladenscheiben. Außen war der Laden mit dunklem Mahagoni verkleidet, innen sah man rote Hocker und eine Theke. Sicher, das leuchtete ein: Hier war Schokolade erlaubt. Als ich in das Fenster sah, erblickte ich mein Spiegelbild in der Scheibe. Ich zog mir die Mütze noch tiefer ins Gesicht und suchte weiter nach dem Hotel.
    Schnell erkannte ich das Hotel Camino, da es das einzige Hotel in der Gegend war, und ging hinein. Ich merkte, wenn ich mich nicht bald hinsetzte, würde ich ohnmächtig werden. Ich betrat die Hotelbar und suchte den Raum nach Theobroma Marquez ab, hielt Ausschau nach einem Mädchen, das Ähnlichkeit mit Sophia hatte, also groß und dunkel war. Der Barkeeper hatte seinen Dienst noch nicht angetreten. Der einzige Anwesende war ein Junge in ungefähr meinem Alter.
    »Buenos dias«,
sagte er zu mir.
    Ich war kurz davor umzukippen – ziemlich theatralisch von mir, ich weiß –, daher setzte ich mich an einen der Tische. Ich nahm die Mütze ab und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar.
    Dann merkte ich, dass der Junge mich anstarrte. Das machte mich befangen, ich setzte die Mütze wieder auf.
    Der Junge trat an meinen Tisch. Er grinste, und ich hatte das Gefühl, die Pointe eines lustigen Witzes zu sein. »Anya Barnum?« Damit war das geklärt. Ich war erleichtert, dass ich hier ein Mädchen sein durfte, wenn auch keine Balanchine. Das erschien mir als guter Kompromiss. Der Junge hielt mir seine Hand hin. »Theobroma Marquez, aber alle nennen mich Theo.«
    »Theo«, wiederholte ich. Obwohl er klein war, wirkte er kräftig und stabil. Seine braunen Augen waren fast schwarz, die dunklen Wimpern so lang wie die eines Pferdes. Auf seinen Wangen waren Stoppeln, die von einem sprießenden Bart und Schnäuzer kündeten. Auch wenn es Gotteslästerung war, fand ich, er sähe ein bisschen wie ein spanischer Jesus aus.
    »
Lo siento, lo siento.
Ich habe dich zuerst nicht erkannt«, erklärte er. »Mir wurde gesagt, du wärst hübsch.« Er lachte, als er das sagte, aber es war nicht gehässig, und ich nahm ihm nicht übel, dass er mich gerade hässlich genannt hatte.
    »Mir wurde gesagt, du wärst ein Mädchen«, erwiderte ich.
    Darüber lachte Theo ebenfalls. »Das liegt an meinem
estúpido
Namen. Aber ist ein Familienname, was soll man da machen? Hast du Hunger? Die Fahrt nach Chiapas ist lang.«
    »Nach Chiapas? Ich dachte, ich würde auf einer Kakaoplantage in Oaxaca wohnen.«
    »Im Staat Oaxaca wird kein Kakao angebaut, Anya Barnum.« Er sprach mit einer geduldigen Stimme, die vermittelte, dass er gerade jemand unglaublich Ahnungsloses vor sich hatte. »Granja Mañana liegt in Ixtapa, Chiapas. Meine Familie beliefert und besitzt

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