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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Anya.«
    »Nein, das … Die Sache ist die, Theo hat gesagt, er würde verstehen, dass ich zurück in die Stadt muss.«
    »Du bist nicht die, für die ich dich gehalten habe«, schluchzte Luna. Tränen strömten ihr übers Gesicht, ihre Nase lief. Ich ging zu ihr und wollte sie in den Arm nehmen, doch sie stieß mich von sich und lief dann aus der Küche. Bisabuela folgte ihr.
    Ich ging durch den Flur in Luz’ Büro, um ihr Telefon zu benutzen. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen wegen der Kosten, aber es war ein Notfall. Erneut versuchte ich es bei Yuji Ono. Er meldete sich noch immer nicht. Dann rief ich Mr. Kipling an, wo Simon Green ans Telefon ging. »Anya, ich habe ein Privatflugzeug organisiert, das am Flughafen in Chiapas auf dich wartet.«
    »Ein Privatflugzeug? Ist das nicht teuer?«
    »Ja, aber es gab keine andere Möglichkeit, es schnell über die Bühne zu bringen. Du hast keinen Ausweis, und selbst wenn du einen hättest – von dem dir nächsten Flughafen gibt es keine Linienflüge in die Staaten, ehrlich gesagt habe ich so kurzfristig nichts Geeigneteres bekommen können. Du fliegst zum Flughafen von Long Island. Wenn du gelandet bist, bin ich da und hole dich ab. Falls die Behörden mitbekommen sollten, dass du wieder im Land bist, könntest du verhaftet werden, aber ich denke, das können wir am ehesten vermeiden, wenn du in Long Island landest.«
    »Ja, klar. Hast du mit Leo gesprochen? Oder mit Yuji Ono?«, fragte ich.
    »Ich habe es bei Yuji Ono versucht, aber konnte ihn noch nicht erreichen«, erwiderte Simon Green. »Ich versuche es weiter. Wie geht es dir denn, Anya?«
    »Ich bin …« Mir fiel keine Antwort ein. »Ich möchte Natty sehen.«
    Ich legte auf und rief dann erneut bei Yuji Ono an. Als ich gerade aufgeben wollte, meldete er sich endlich. »Hallo, Anya«, sagte er. Er klang reserviert, aber ich wusste nicht, ob das an dem Gespräch lag, das wir bei unserem letzten Treffen geführt hatten.
    »Warum bist du nicht ans Telefon gegangen?«
    »Ich war beschäftigt, ich …«
    Mir war völlig egal, was er gemacht hatte. »Ich muss wissen, ob es Leo gut geht«, sagte ich.
    Im ersten Moment schwieg er. Dann sagte Yuji: »Es gab eine Explosion.«
    »Eine Explosion? Was für eine Explosion?«
    »Eine Autobombe. Es tut mir leid, Anya. Die Freundin deines Bruders wurde sehr schwer verletzt, und …«
    » WAS IST MIT LEO ?«
    »Es tut mir leid, Anya. Er ist tot.«
    Seltsamerweise wusste ich, dass ich nicht weinen würde. Ein ehemals lebendiger Teil von mir war zu Stein geworden, ich war zu solchen Gefühlsausbrüchen nicht mehr fähig. »Warst du das, Yuji? Hast du das alles geplant? Nur weil ich dich nicht heiraten wollte? Bist du das gewesen?«
    »Ich war es nicht«, erwiderte er.
    »Das glaube ich dir nicht. Niemand sonst wusste darüber Bescheid. Niemand sonst wusste, wo Leo und ich sind. Niemand außer dir!«
    »Es gab noch andere, Anya. Denk darüber nach.«
    Ich konnte nicht denken. Leo war tot. Imogen war tot. Jemand hatte versucht, Natty und mich zu töten. Theo war schwer verletzt, weil er einer für mich bestimmten Kugel in den Weg gekommen war.
    »Sag, wen du meinst.«
    »Ich möchte lieber nicht spekulieren. Ich kann nur sagen, dass ich es nicht war«, wiederholte Yuji. »Aber ich habe auch nicht eingegriffen, um diese Geschehnisse aufzuhalten.«
    »Willst du damit sagen, dass du meinen Bruder hast sterben lassen? Dass du mich auch hättest sterben lassen?«
    »Ich habe gesagt, was ich meine. Dein Verlust tut mir sehr leid.«
    Ich legte auf. Mir tat es auch leid. Falls sich herausstellen sollte, dass Yuji Ono meinen Bruder umgebracht hatte, würde er sterben müssen.



XI. Ich lerne den Preis der Freundschaft kennen, und Geld regiert immer noch die Welt
    Das Flugzeug war nicht viel größer als eine Badewanne; der Flug war holprig. Obwohl ich seit über vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte, kam mein Kopf nicht zur Ruhe. Ich konnte einfach nicht aufhören, an Leo und all die Gelegenheiten zu denken, wenn er von mir hatte begleitet werden wollen und ich abgelehnt hatte. Ich war diejenige gewesen, die ihn nach Japan geschickt hatte. War das ein Fehler gewesen? Warum hatte ich Yuji Ono je vertraut? Wie konnte Leo tot sein, wenn wir seit fast zehn Monaten nicht mehr miteinander gesprochen hatten? Das alles kam mir völlig unwirklich vor.
    Flatternd fielen mir die Augenlider zu, so als würde der Schlaf mein schuldbewusstes Gewissen vorübergehend entlasten wollen, doch

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