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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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einiges zu tun. »Wenn ich jetzt sofort hingehe, bin ich rechtzeitig zu Imogens Beerdigung wieder draußen.«  
    »Das finde ich bewundernswert«, sagte Bertha Sinclair. »Ich werde Sie persönlich begleiten, wenn Sie möchten.«
    »Wenn du von Staatsanwältin Sinclair begleitet wirst, wird sich die Presse auf dich stürzen«, warnte mich mein Anwalt.
    »Ja, darum geht es ja«, sagte Bertha Sinclair und verdrehte ihre rabenschwarzen Augen. »Anya Balanchine hat sich mir ausgeliefert, und eine Woche später lasse ich ihr gegenüber Gnade walten. Das ist ganz großes Drama, Mr. Kipling, und kein schlechter Geniestreich für die Staatsanwaltschaft, nicht wahr?« Sie drehte sich zu mir um. »Dann schauen wir mal.«
    Mr. Kipling und ich gingen zurück zum Empfang. Als Bertha Sinclair außer Sicht war, reichte ich ihm meine Machete, die immer noch an meinem beziehungsweise Simon Greens Gürtel hing.
    »Die hast du mit ins Büro der Staatsanwältin genommen?«, staunte mein Anwalt ungläubig. »Zum Glück ist diese Stadt so pleite, dass sie die alten Metalldetektoren nicht reparieren kann.«
    »Ich hatte sie schlichtweg vergessen«, versicherte ich ihm. »Verwahren Sie sie gut! Das ist mein liebstes Andenken an Mexiko.«
    »Darf ich dich fragen, ob du Gelegenheit hattest, diese … ist das eine Machete? Dieses Ding auch einzusetzen?« Mr. Kipling hielt sie zwischen zwei Fingern wie eine volle Windel, dann ließ er sie in seinen Aktenkoffer gleiten.
    »Ja, Mr. Kipling. In Mexiko trennt man damit die Kakaofrüchte von den Bäumen.«
    »Und du hast sie nur dafür gebraucht?«
    »Hauptsächlich«, erwiderte ich. »Ja.«
     
    » ANYA BALANCHINE ! ANYA ! SCHAUEN SIE MAL HER ! ANYA , ANYA , WO SIND SIE GEWESEN ?« Die Paparazzi warteten an der Fähre zu Liberty Island und wollten sich auf uns stürzen.
    Bertha Sinclair hatte mich angewiesen, kein Wort zu sagen, doch ich konnte nicht umhin, mich nach den Reportern umzusehen. Ich war erleichtert, wieder meinen richtigen Namen zu hören. Man verfrachtete mich auf das Schiff, und Bertha Sinclair blieb stehen, um mit den Medien zu sprechen.
    Obwohl sie eine Frau war, war ihre Stimme ebenso kräftig wie die von Charles Delacroix, ich konnte sie noch von Bord aus hören. »Heute Nachmittag hat Anya Balanchine sich mir ausgeliefert. Ich möchte betonen, dass Ms. Balanchines Auslieferung absolut freiwillig erfolgte. Sie wird in Liberty untergebracht, bis wir wissen, was die beste Vorgehensweise ist«, dröhnte Bertha Sinclair. »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«
    Ich war nun in weniger als anderthalb Jahren zum vierten Mal in Liberty. Mrs. Cobrawick war fort, ersetzt von einer Miss Harkness, die den ganzen Tag und offenbar bei jedem Wetter eine kurze Sporthose trug. Sie interessierte sich nicht für Prominente, also nicht für mich und meinen schlechten Ruf. Daher war sie eine Verbesserung gegenüber Mrs. Cobrawick. Auch Mouse war nicht mehr da – ich fragte mich, ob sie jemals an Simon Green herangetreten war –, so dass ich ein Etagenbett ganz für mich allein und im Speisesaal niemanden hatte, mit dem ich essen konnte. Mein Aufenthalt hier war zu kurz, um mir die Mühe zu machen, neue Freundschaften zu schließen.
    Am Donnerstag vor meiner geplanten Entlassung saß ich an einem halbleeren Tisch im hinteren Teil des Speisesaals, als Rinko mir gegenüber Platz nahm. Sie war allein und wirkte ohne ihre Schergen irgendwie kleiner.
    »Anya Balanchine«, begrüßte sie mich. »Darf ich mich zu dir setzen?«
    Ich zuckte mit den Schultern, und sie stellte ihr Tablett ab.
    »Clover und Pelham wurden entlassen, kurz bevor du kamst. Ich bin nächsten Monat raus.«
    »Was hast du überhaupt verbrochen?«
    Sie zuckte erneut mit den Achseln. »Nichts Schlimmeres als du. Bin an der Schule mit so einer dummen Kuh aneinandergeraten. Sie hat angefangen, aber ich hab sie geschlagen, bis sie ins Koma fiel. Also, so ähnlich. Ich hab mich verteidigt. Konnte ja nicht ahnen, dass sie ins Koma fällt.« Sie überlegte. »Weißt du, wir sind nicht sehr verschieden.« Sie warf ihr glänzend schwarzes Haar über die Schultern nach hinten.
    Doch, wir waren verschieden. Ich hatte noch niemals jemanden bewusstlos geschlagen. »Wieso?« 
    Sie senkte ihre Stimme. »Ich komme vom Kaffee.«
    »Aha.«
    »Das macht hart«, fuhr sie fort. »Wenn mir jemand dumm kommt, verteidige ich mich. Du bist genauso.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Du hast auf deinen Cousin geschossen, oder?«, sagte

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