Edelmann und Satansfreund
gesprochen.
Es war ihm wahrscheinlich auch nicht möglich, zu reden. Er konnte nur handeln – und töten.
Die Kälte und der Druck aus ihrem Nacken verschwanden. Über ihr wurde das Schwert zum Schlag in die Höhe gehoben.
Hilde fiel nicht einmal ein Gebet ein. Das wurde Todeskandidaten gestattet. Da hatte sich nichts geändert und…
»NEIN!«
Eine Stimme, eine andere, eine bekannte Stimme hallte über den Hof der Ruine.
Und plötzlich wußte Hilde, wer da gekommen war. John Sinclair!
Rechtzeitig oder doch zu spät?
In den nächsten Sekunden würde sich dies entscheiden.
***
Ich hatte gerufen. Ich hatte laut gerufen, und ich hoffte, daß diese Mordgestalt meinen Ruf auch vernommen hatte. Er mußte einfach gestoppt werden, ich wollte die Frau nicht vor meinen Augen sterben sehen.
Ich hielt die Beretta in der Hand, ich hätte auch auf die Teile seines Körpers geschossen, die nicht vom Metall der Rüstung bedeckt waren, aber nicht in dieser Dunkelheit. Ich hätte zu leicht fehlen können, und deshalb mußte ich näher an den Satansfreund heran.
Er hatte mich gehört. Aber er veränderte seine Haltung nicht um einen Millimeter. Nach wie vor stand er neben der erschöpft und angekettet auf dem Boden liegende Hildegard von Zavelsreuth, das Schwert mit beiden Händen am Griff umfaßt, zum vernichtenden Hieb bereit.
Hinter ihm war die Wand des alten Teils der Burg wieder von diesem silbriggrünen Licht erhellt. Die beiden Pyramiden aus Knochen waren nicht zu übersehen. Rudolf fühlte sich offenbar nur in der Nähe seiner zahlreichen Opfer wohl.
Ob er mich nun gehört oder durch die Schlitze seines Helms gesehen hatte, das wußte ich nicht. Es störte mich auch nicht. Hier zählte nur der Erfolg. Wichtig war, daß er sich von mir ablenken ließ und mich als Feind ansah, nicht die wehrlose Frau.
Ich nutzte seine Schrecksekunde und lief tiefer in den Burghof hinein.
Bisher hatte er mit mir noch keinen Kontakt aufgenommen. Ich wußte nicht einmal, ob er sich verständlich machen konnte. Wahrscheinlich nicht, denn die Stimmbänder funktionierten bei einem Toten nicht mehr.
Auch wenn ich es in gewissen Ausnahmen schon anders erlebt hatte.
Nach meinem Ruf hatte er mir seinen Kopf zugedreht. Das Gesicht war nicht zu erkennen, denn der Helm mit dem heruntergeklappten Visier bedeckte es auch jetzt von der Stirn bis zum Kinn, falls beides noch vorhanden war. Wer konnte schon genau wissen, was sich hinter dem Eisen verbarg.
Nur die Augen sah ich.
Totenlicht!
Kalt und unheimlich.
Wer aus der Nähe hineinschaute, der mußte einfach eine Gänsehaut bekommen.
Und ich blickte hinein, denn ich ging Schritt für Schritt auf ihn zu, ohne daß der ehemalige Edelmann und jetzige Satansfreund eine Reaktion zeigte.
Es war mir unerklärlich. Er hätte längst zuschlagen können, aber etwas hinderte ihn daran.
Auf dem Weg zu ihm hatte ich mein Kreuz hervorgeholt. Noch umschlossen es meine Finger, aber ich bemerkte die schwache Wärme des Metalls. Mein Kreuz spürte genau, was sich in dieser Umgebung ereignete, und ich dachte darüber nach, wie ich es am besten einsetzen konnte.
Zudem verringerte sich die Schußdistanz. Für mich konnte das nur von Vorteil sein.
Ich ging weiter.
Inzwischen hatte ich die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht. Mein Optimismus, Hilde zu retten, stieg, aber er wurde im nächsten Moment radikal abgestoppt, als sich der Ritter bewegte.
Er wollte zuschlagen.
Da schoß ich.
Zweimal drückte ich ab. Ich hatte dabei auf seine Beine gezielt und über die am Boden liegende Hildegard von Zavelsreuth gehalten. Das Echo tanzte zwischen den Mauern hin und her, als wollte es Teile von ihnen einreißen, und der Ritter torkelte plötzlich zurück, ohne dabei allerdings den Halt zu verlieren.
Ich rannte jetzt, denn noch immer wollte er seine Nachfahrin mit dem Schwert köpfen.
Nur gelang ihm jetzt kein genauer Schlag mehr. Die Klinge zuckte oder tänzelte durch die Luft. Sie schlug über die Gestalt der liegenden Frau irgendwelche Zeichen, als wollte sie uns eine Botschaft vermitteln.
Ich wollte noch eine Kugel abfeuern, als Rudolf zusammenbrach. Das sah so aus, als hätte man ihm ein Bein weggehackt. Er landete auf dem Rücken, das Metall der Rüstung schepperte über den Boden, und ich hetzte die letzten Meter mit langen Schritten auf Hildegard zu. Ich wollte sehen, ob ihr etwas geschehen war. Für einen Moment gab es nur sie für mich, als ich neben ihr auf die Knie fiel.
Ich hob ihren Kopf
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