Edelmann und Satansfreund
Moment verdüstert, aber das vergaß ich sehr bald wieder.
Gegen Mitternacht hatten wir die Teller leergegessen, aber keinem von uns war danach zumute, jetzt in seine Wohnung zu fahren. Der Vorschlag, in einer Hotelbar den Abend zu beschließen – oder auch noch nicht – stand nach wie vor.
Das Hotel gehörte zu den Fünf-Sterne-Palästen, mit denen London ausreichend gesegnet ist. In der Bar war es nicht zu voll. Es herrschte eine gute Atmosphäre, die Musik klang nicht zu laut, und wir konnten uns wohl fühlen.
An die Bar selbst setzten wir uns nicht, sondern entschieden uns für eine etwas entfernt liegende intime Ecke, wo wir in weichen Sesseln versanken.
»Was trinken wir denn noch, John?«
Ich wiegte den Kopf. »Würde es Sie stören, wenn ich mir jetzt ein Bier bestelle?«
»Nein, überhaupt nicht. Finde ich prima.« Sie freute sich und lachte.
»Daran habe ich auch schon gedacht. Schließlich bin ich Deutsche.«
»Dann bestellen wir doch einfach zwei Bier.«
»Habe nichts dagegen.«
Es gab sogar Bier vom Faß, und es wurde in nicht eben kleinen Gläsern serviert. Beide befanden wir uns in einer lockeren Stimmung. Mir kam es vor, als würde ich Hildegard von Zavelsreuth schon jahrelang kennen.
Sie erzählte von sich, ich von mir, und wir kamen auch direkt auf meinen Job zu sprechen.
Hilde war fasziniert, als sie erfuhr, mit welchen Gestalten ich mich herumschlagen mußte. Ich blieb mit meinen Worten ziemlich allgemein, aber Hilde besaß genügend Vorstellungsvermögen, um zu wissen, in welche Gefahren ich dabei geriet.
»Dann sind Sie ja so etwas wie ein Geisterjäger«, sagte sie irgendwann.
»Das trifft den Nagel auf den Kopf.«
Sie schaute gegen den Tisch und schüttelte den Kopf. »Die meisten Menschen glauben ja nicht daran«, sagte sie leise und ließ ihre Worte auf eine bestimmte Art und Weise ausklingen, so daß ich zwangsläufig eine Frage stellen mußte.
»Glauben Sie denn daran?«
Sie zögerte etwas und sagte dann: »Ich weiß nicht so recht.«
»Das hört sich an, als hätten Sie gewisse Dinge schon erlebt. Oder zumindest einen Kontakt mit diesen Wesen gehabt.«
»Das kann schon sein.«
Nach dieser Antwort war meine Neugierde geweckt. Ich rückte meinen Sessel näher an den anderen heran, und Hilde legte ihre Hand auf die meine. »Spüren Sie, John, wie kühl sie ist?«
»Ja, das wundert mich.«
»Es sind wieder die Erinnerungen hochgekommen, die mit meinen Ahnen zusammenhängen. Es gab wirklich eine Zeit, da habe ich mich von einem Geist verfolgt gefühlt.« Sie sprach weiter, bevor ich noch nachhaken konnte. »Nicht von einem Gespenst, das Buhbuh machte, sondern von einer unheimlichen Gestalt in einer Ritterrüstung.«
»Ein Scherz – oder?«
»Nein, John, das ist kein Scherz. Ich habe seine Stimme gehört, als ich ihn für einen Moment im Hof der Burg stehen sah.« Sie furchte die Augenbrauen und dachte nach. »Wie sagt man dazu? Materialisiert – oder?«
»Ja, so ähnlich. Von welcher Burg sprechen Sie?«
»Burg Zavelstein. Dort komme ich her.«
»Von der Burg?«
»Nein, wo denken Sie hin. Sie ist nur eine Ruine, die besichtigt werden kann. Ich stamme aus dem Ort und gehöre einer alten Familie an, von der allerdings niemand mehr dort lebt. Sie hat sich in alle Winde zerstreut. Ich bin die einzige, die hin und wieder in diesen kleinen Ort zurückkehrt. Ich liebe dort die Abgeschiedenheit, die Ruhe. Ich kann mich da erholen bei langen Spaziergängen durch die Wälder. Es ist einfach schön, wenn man einen Ort hat, um dem Streß der Großstadt und dem Filmgeschäft zu entwischen. Dort kann ich Mensch sein und brauche nicht unbedingt eine Rolle zu spielen.«
»Das verstehe ich gut. Jeder Mensch braucht ein derartiges Refugium.«
»Und ich hab es eben in Zavelstein gefunden, wo ich auch herkomme. Aber trotz all dieser ruhigen Schönheiten spüre ich die Furcht vor dem Verfolger.«
»Den Sie auch gesehen haben?«
»So ist es«, erwiderte sie nachdenklich. »Ich habe ihn gesehen. Er trug eine Rüstung, hatte sein Schwert gezogen und wirkte auf mich wie ein brutaler Barbar.«
»Nahm er Kontakt mit Ihnen auf?«
»Nein, das nicht. Wie sollte er auch?«
Ich wiegte den Kopf. »Es gibt da schon einige Möglichkeiten, wie ich aus Erfahrung weiß.«
Hilde drückte meine Hand fester. »Wollen Sie darüber reden?«
Ich lächelte. »Heute abend?«
Hilde lehnte sich an mich. »Sie haben recht, wir sollten über etwas anderes reden.«
»Aber eine Frage gestatten Sie mir
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