Edelmann und Satansfreund
doch.«
»Gern.«
»Wann reisen Sie wieder in Ihre Heimat?«
»Das wird dauern, John. In diesem Jahr nicht mehr. Ich muß für einige Monate in die Staaten, weil ich dort zwei Filme drehen will. Die Verträge sind bereits unterschriftsreif. Wie es dann weitergeht, weiß ich nicht. Jedenfalls werde ich der Oskar-Verleihung noch beiwohnen und auch über neue Projekte verhandeln. Erst dann kann ich wieder nach Zavelstein zurückkehren.«
»Also im nächsten Frühjahr.«
»Das hoffe ich.« Sie drehte mir den Kopf zu und küßte mich plötzlich auf die Lippen. »Vergessen, John, werde ich dich nicht. Wie könnte ich das?«
Ich fuhr durch ihr Haar und ließ die Strähnen sanft zwischen meinen Fingern hindurchgleiten. »Die Zeit sorgt dafür, daß Menschen vergessen. Das ist nichts Unnormales, Hilde.«
»Nicht in meinem Fall, der für mich persönlich schließlich gravierend genug war.« Wieder spürte ich ihre Lippen und diesmal auch ihre Zunge.
»Aber«, sagte sie dann, wobei wir beide ein wenig atemlos waren, »wenn ich mal in Schwierigkeiten gerate, darf ich dich dann anrufen?«
»Tag und Nacht«, erwiderte ich.
Ihre Augen verschwammen, als stünde sie dicht vor dem Weinen.
»Danke, John, danke. Dir glaube ich. Dir nehme ich das Versprechen ab. Du bist anders als die Kollegen aus der Branche.«
»Nun ja, Hilde, mach dir nur kein zu gutes Bild von mir. Auch ich habe meine Fehler.«
»Manchmal liebe ich kleine Fehler.«
Ich war etwas verlegen. »Du kennst meine nur nicht.«
Sie streichelte über meine Brust. »Darf ich sie denn heute nacht noch kennenlernen?«
Mich durchschoß eine heiße Welle, als ich dieses Angebot hörte. »Ich habe Zeit. Außerdem ist morgen Samstag, also Wochenende, und…«
»Am Montag muß ich packen.«
»Dann sollten wir die Tage noch genießen, schlage ich vor.«
»Genau meine Meinung«, flüsterte sie dicht an meinem Ohr. »Wir können zu mir fahren. Ich habe ein kleines Apartment in Belgravia gemietet. Dort stört uns niemand.«
»Auch kein Ritter?«
»Nein, bestimmt nicht. Der wirst du doch sein.«
Ich lächelte sie an. »Ich weiß natürlich nicht, wie sich die Ritter damals den Burgfräuleins gegenüber benommen haben, aber ich werde mein Bestes geben.«
»Das hoffe ich doch stark, Ritter John…«
Es kam, wie es kommen mußte, aber das ist Privatsache. Erst am Sonntag trennten wie uns, wünschten uns alles Gute und tauchten wieder ab in unsere beiden verschiedenen Welten.
Mich nahm der Job gefangen. Zwar vergaß ich Hildegard von Zavelsreuth nicht, aber die Erinnerung an sie verblaßte durch den täglichen Streß schon.
Und so vergingen die Tage, die Monate und schließlich auch ein ganzes Jahr…
***
Das Zimmer des Hotelfensters lag so, daß Hildegard von Zavelsreuth auf die Burg schauen konnte. Allerdings nur tagsüber, denn in der Nacht wurde die Ruine von der Dunkelheit verschluckt wie vom Maul eines Ungeheuers.
Der Gasthof Krone lag an einer Kreuzung, praktisch in der Mitte des winzigen Ortes, und eine der Straßen, bedeckt mit Kopfsteinpflaster, führte an einigen Häusern vorbei und dann direkt auf die Burg Zavelstein zu, die der Fußgänger über eine alte Holzbrücke erreichen konnte. Der Blick von hier war wunderbar, und nicht wenige Urlauber kamen nur deshalb her, um ihn zu genießen.
Hilde war wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Vier Wochen wollte sie ausspannen. Sogar der unheimliche Ritter war ihr egal geworden. Sie brauchte einfach nur Ruhe, denn das Jahr in den Staaten hatte sie gestreßt. Es war ausgefüllt gewesen mit Arbeit.
In der Krone wohnte sie gern, denn die Familie Brandenburg, die das Hotel betrieb, war außergewöhnlich nett. Zudem wurde hier wunderbar und bodenständig gekocht, wobei das Essen noch richtig schmeckte und deshalb nichts für die schlanke Linie war.
Das störte sie nicht, denn wenn sie Schupfnudeln mit Sauerkraut aß, stiegen wieder Erinnerungen aus der Kindheit in ihr hoch, da ihre Mutter dieses Gericht auch gern gekocht hatte.
Schon eine Woche hielt sich Hilde in Zavelstein auf. Sie hatte Bekannte getroffen, mit ihnen zusammen in der Krone gegessen, sie hatten Wein getrunken, sie hatte auch ein wenig von der großen weiten Welt erzählt und ebenfalls ihre Wanderungen nicht vergessen, die sie über die Höhen führten, wo die Einsamkeit überhaupt nicht bedrückend war, weil der Blick immer wieder weit über das Land hinwegglitt und das Herz eines Menschen erfreute.
Auch mit ihrem Zimmer war sie sehr zufrieden.
Weitere Kostenlose Bücher