Edelweißpiraten
leben«, hat Flint gemeint. »Am besten macht ihr’s wie Kralle und ich. Tut nur das Allernötigste! Nur so viel, dass sie euch nicht rausschmeißen. Und wenn mal – ganz aus Versehen natürlich – was runterfällt und kaputtgeht, ist es auch nicht weiter schlimm. Hauptsache, es merkt keiner, dass ihr’s gewesen seid. Klar so weit?«
Ich hab noch länger drüber nachgedacht. Nicht darüber, ob es richtig ist, was wir tun, daran hab ich keinen Zweifel mehr. Nein, ich hab überlegt, was ich bei Ostermann anstelle, um dem Betriebsleiter mal so richtig eins auszuwischen. Flint und Kralle, die machen’s richtig. Ab morgen werd ich’s auch versuchen.
14. April 1942
Seit die HJ im Kriegseinsatz ist, hat der Streifendienst wieder Oberwasser. Wahrscheinlich haben sie den Auftrag, uns endgültig von der Straße und aus den Parks zu vertreiben und uns dabei so einzuschüchtern, dass wir freiwillig wieder zum Dienst gehen. Und den Auftrag nehmen sie verdammt ernst. Der Streifendienst ist nämlich jetzt offizieller Nachwuchs für die SS. Und da wollen sie zeigen, was für harte Kerle sie sind.
Inzwischen sind sie mit Schlagstöcken bewaffnet, und seit sie die haben, fühlen sie sich mächtig stark. Spielen immer damit rum und lassen sie in die Handfläche klatschen, damit alle kapieren, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist. Na, wir haben uns erst nicht groß dran gestört und unser Spielchen mit ihnen weitergetrieben. Denn ein Schlagstock in der Hand, haben wir uns gedacht, ersetzt noch lange keinen Grips im Kopf.
Aber dann haben sie letzte Woche Frettchen erwischt. Es war abends. Er war auf dem Weg zum Volksgarten, um sich mit uns zu treffen. Mitten in Ehrenfeld haben sie ihm aufgelauert. Er hat nichts Böses geahnt, weil sie sich da seit Monaten nicht mehr hingetraut hatten, deswegen ist er ihnen in die Falle gegangen. Auf ihn haben sie ’n besonderen Hass, weil er’s nie lassen kann, ihnen aus sicherer Entfernung noch was Passendes hinterherzurufen, wenn wir sie mal wieder reingelegt haben. Er hat eben ’n loses Mundwerk, und dass das nicht immer gut ist, hat er letzte Woche zu spüren gekriegt.
Mit fünf oder sechs Leuten haben sie ihn gepackt und ohne Vorwarnung mit ihren Stöcken auf ihn draufgehauen, hat er erzählt. Er ist nicht mal dazu gekommen, sich zu wehren. Hat nur
die Arme vors Gesicht gehalten. Aber die haben immer weitergemacht. Sogar, als er schon am Boden lag. Immer weiter haben sie auf ihn eingetreten, bis sie selbst nicht mehr konnten. Dann sind sie abgezogen und haben ihn liegen lassen.
Wir haben ihn fast nicht wiedererkannt am Tag danach. Sein Gesicht war grün und blau geschwollen, er konnte kaum was sehen und auch nicht richtig sprechen. Die Mädchen waren total geschockt. Flint aber, der hat geschäumt vor Wut. Irgendwie fühlt er sich dafür verantwortlich, dass keinem von uns was zustößt, glaub ich. Es war, als hätten sie ihn selbst verprügelt. Und noch dazu mitten in Ehrenfeld! Das ist ihm besonders gegen den Strich gegangen.
»Die Sache wird denen noch leidtun«, hat er gesagt. »Ja! Es wird ihnen noch verdammt leidtun.«
Zusammen mit Kralle hat er unsere Racheaktion geplant. Sie haben ausgekundschaftet, welchen Weg die Trupps vom Streifendienst nehmen. Seitdem sie Frettchen verprügelt haben, marschieren sie nämlich wieder fast jeden Abend durch Ehrenfeld, und das stinkt uns gewaltig. Es sind unsere Straßen, sagt Flint, unser Revier, und wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass sich da irgendwelche Typen von außerhalb breitmachen. Schon gar nicht diese Affen vom Streifendienst.
Gestern Abend haben wir uns getroffen, am Neptunbad. Die Mädchen und Goethe haben wir aus der Sache rausgelassen, und Frettchen natürlich auch. Fünf sind wir gewesen: Flint, Kralle, der Lange, Tom und ich.
Flint hatte Schlagringe besorgt und hat sie verteilt. Als ich meinen genommen hab, hat es sich erst komisch angefühlt. Ich hab noch nie so was benutzt. Eigentlich hab ich überhaupt noch nie bei so was mitgemacht. Bei so was Geplantem, Überfallmäßigem, meine ich. Sich mal prügeln, weil man sich wehren muss oder weil einem der Kragen platzt: klar, macht jeder. Aber das hier war was anderes. Ich war drauf und dran, Flint zu fragen, ob
er wirklich sicher ist mit dem, was wir da tun. Aber die anderen haben so entschlossen ausgesehen, da wollte ich mir keine Blöße geben. Ich glaub, Tom ist es genauso gegangen. Also haben wir die Schlagringe genommen und die Klappe gehalten.
Flint hat
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