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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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Fenster. »Dann wirst du es verstehen.«

17. März 1942
    Draußen wird’s Frühling. Ich bin froh, wenn der Winter vorbei ist. Die Kohlen sind verflixt knapp geworden in letzter Zeit, und es ist kein Vergnügen, ständig in so ’ner Eiseskälte zu hocken. Außerdem kann ich mich wieder öfter mit den anderen treffen, wenn die Abende länger werden. Deshalb ist für das Tagebuch jetzt auch der Winterschlaf zu Ende. In den letzten Monaten gab’s nicht viel zu schreiben. Ging nur darum, irgendwie durchzukommen. Aber jetzt liegen interessantere Zeiten vor uns, das hab ich im Gefühl.
    Vor allem können wir bald mit unseren Fahrten wieder loslegen. Allerdings müssen wir dieses Jahr noch vorsichtiger sein als im letzten. Bei der HJ haben sie sich nämlich was Neues ausgedacht: »Kriegseinsatz der Jugend«. Alle Arbeiten, für die nicht genug Männer da sind, weil sie zur Front müssen, sind jetzt Sache der HJ. Bei der Feuerwehr müssen sie helfen und bei der Post. Verteilen Lebensmittelkarten, machen Botengänge und sind im Telefondienst. Helfen bei der Ernte. Und sammeln alles Mögliche: Altmetall, Fallobst, Kräuter – alles, was noch irgendwie von Wert ist.
    Deswegen versuchen sie wieder, uns zum Dienst zu zwingen. Auf der Arbeit gibt’s alle möglichen Schikanen für die Lehrlinge, die nicht bei der HJ sind. Die hinterletzten Aufgaben müssen wir machen. Stundenlang die Werkshalle schrubben oder Sachen erledigen, die so stumpfsinnig sind, dass man nach ein paar Tagen ganz krank im Kopf ist. Geschlagen werden wir natürlich auch. »Drückeberger« nennen sie uns. Wie ich das Wort inzwischen
hasse! Und alle paar Tage müssen wir beim Betriebsleiter antanzen. Der erzählt uns dann, er hätte sich noch nie für was so geschämt wie für uns Dreckskerle, die nicht mal wissen, wann sie ihre Pflicht und Schuldigkeit zu tun haben. Und dass wir in seinen Augen Schmarotzer sind, die dem eigenen Volk in den Rücken fallen.
    Manchmal ist es schwer, das auszuhalten. Aber zum Glück hab ich ja die anderen. Wenn wir uns treffen, lässt jeder erst mal ordentlich Dampf ab. Wir fluchen, bis sich die Balken biegen. Und dann möbeln wir uns gegenseitig wieder auf.
    Obwohl: ’n bisschen nachdenklich geworden bin ich schon in letzter Zeit. Von wegen »Schmarotzer« und so. Ich hab mich gefragt, ob nicht doch was dran sein könnte. Denn manches von dem, was die HJler tun, ist gar nicht so übel. Zum Beispiel sammeln sie Wolldecken und verteilen sie an alte Leute, damit sie im Winter nicht frieren. Oder die vom BDM helfen in Kindergärten und Altersheimen. Und was tun wir?
    Heute hab ich mit den anderen drüber gesprochen. Aber die haben mir ganz schön den Kopf gewaschen. Vor allem der Lange.
    »Jetzt lass dich bloß nicht kirre machen, Gerle«, hat er gesagt. »Dieser ganze Krieg ist ’ne einzige große Scheiße. Jeden Tag verrecken da draußen Tausende von armen Schweinen. Weil man sie aufeinander gehetzt hat, ohne sie zu fragen, ob sie überhaupt wollen. Und wofür? Damit aus dem Großdeutschen Reich irgendwann mal ’n Riesengroßdeutsches Reich wird! Das ist alles! Wer da mitmacht, ist ’n Idiot – egal, ob an der Front oder hier zu Hause.«
    »Ja, stimmt«, hat auch Flocke gesagt. »Was glaubst du, warum die vom BDM jetzt in die Kindergärten gehen? Damit die Frauen, die da arbeiten, in die Rüstungsbetriebe können. Da produzieren sie dann noch mehr Granaten und noch mehr Patronen, mit denen sich die Jungs an der Front noch besser gegenseitig die Köpfe wegschießen können. Du brauchst echt kein schlechtes Gewissen
zu haben, Gerle. Einfach nicht mitmachen, das ist das Beste, was wir tun können.«
    Die anderen waren der gleichen Meinung. Auch Flint. Er ist irgendwann aufgestanden und zu mir gekommen.
    »Weißt du, wer der eigentliche Schmarotzer ist, Gerle?«
    »Nein. Wer?«
    »Na, dein feiner Herr Betriebsleiter. Ist der etwa an der Front? Sammelt er Wolldecken? Arbeitet er im Kinderheim? Natürlich nicht! Wird er auch nie. Alles, was er tut, ist, sich am Krieg ’ne goldene Nase zu verdienen.
Der
fällt seinem Volk in den Rücken, Mann – nicht du. Denk dran, wenn er das nächste Mal vor dir steht!«
    Das hat mir wirklich die Augen geöffnet, wie er das gesagt hat. Verflixt noch mal, er hat recht, hab ich gedacht. Und die anderen auch!
    »Aber – wenn wir’s ernst meinen«, hab ich zu ihm gesagt, »müssten wir dann nicht ganz mit der Arbeit aufhören? Ist doch alles für den Krieg!«
    »Von irgendwas müssen wir ja

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