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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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man nicht so schnell gesehen wird, wenn doch noch wer über die Straße läuft. Nur an eins hatten wir nicht gedacht, nämlich dass so ’n Ding auch schnell zur Falle wird, aus der man nicht wieder rauskommt.
    Ich weiß nicht, ob wir einfach Pech hatten oder nicht vorsichtig genug waren. Jedenfalls waren wir grade dabei und hatten schon die ersten Worte hingepinselt, als am einen Ende der Unterführung auf einmal welche von der SS aufgetaucht sind. Sie hatten Uniformen, aber ’ne richtige Streife war’s nicht, glaub ich. Wahrscheinlich sind sie von irgend ’nem Besäufnis gekommen, so wirkten sie jedenfalls.
    Als sie uns gesehen haben, sind sie stehengeblieben und haben uns angestarrt, als könnten sie’s nicht glauben. Wir haben sofort den Pinsel und den Eimer weggeworfen und sind ab durch die Mitte, so schnell wir konnten. Sie haben hinter uns hergebrüllt, wir sollen stehenbleiben, und sind uns nachgelaufen. In der Unterführung haben ihre Stiefel geknallt, als wären’s Pistolenschüsse. Wir sind gerannt wie die Hasen. Zum Glück waren am anderen Ende keine von ihnen, sonst wär’s um uns geschehen gewesen. Die hätten uns platt gemacht.
    Draußen auf der Straße war’s rutschig. Überall Schneematsch, und im Dunkeln konnten wir gar nicht sehen, wo wir hintreten. Zuerst schien’s ein Vorteil für uns zu sein, denn die besoffenen Kerle hinter uns haben’s kaum geschafft, sich auf den Beinen zu halten, und nach ein paar Minuten hatten wir sie fast abgehängt. Aber dann ist Tilly an ’ner Straßenecke ausgerutscht und hat sich langgelegt. Als sie aufstehen wollte, hat sie die Bescherung gemerkt: Knöchel verstaucht! Sie konnte kaum noch gehen.
    Aber es half ja nichts, wir mussten weiter. Ich hab sie gestützt, und wir sind, so gut es ging, zusammen losgehumpelt. Natürlich waren wir viel zu langsam. Keine Chance, den Kerlen auf die Art
zu entwischen, sie kamen immer näher. Ich hab verzweifelt überlegt, was wir tun sollen, aber mir ist nichts eingefallen. Wir sind um ’ne Straßenecke gebogen, und dann war Tilly endgültig am Ende. Sie hat gestöhnt vor Schmerzen.
    Ich hab sie durch ’ne Einfahrt in den erstbesten Hinterhof gezogen, und dann haben wir uns da drin an die Mauer gedrückt und gehofft, dass die von der SS vorbeilaufen und uns nicht finden. Aber den Gefallen haben sie uns nicht getan, wahrscheinlich haben sie unsere Spuren im Schnee gesehen. Es war schrecklich: Wir haben sie kommen hören und konnten nichts tun. Einfach gar nichts. Es war kein Ausweg mehr da.
    Aber genau in dem Moment ist plötzlich ’ne Tür aufgegangen, direkt da, wo wir waren. Irgendwer hat uns ins Haus gezogen und die Tür wieder zugemacht. Wir haben in ’nem Flur gestanden, und in dem funzeligen Licht konnten wir sehen, dass unsere Schutzengel zwei alte Leutchen waren. Sie haben uns weitergeschoben, bis ins Schlafzimmer, und da haben sie ’n Schrank aufgemacht und uns reingequetscht. Keiner von ihnen hat ’n Ton gesagt. Sie haben den Schrank zugemacht und abgeschlossen, und wir haben dagehockt im Dunkeln und den Atem angehalten.
    Gleich drauf ist es laut geworden. Die von der SS haben gegen die Türen gehämmert, bei einer Wohnung nach der anderen, und gebrüllt, man soll sie reinlassen. Irgendwann sind sie auch bei uns gewesen. Das Pochen an der Tür ist uns durch Mark und Bein gegangen. Wir konnten hören, wie sie reinstürmen und anfangen, die Wohnung zu durchsuchen. Nicht lange, und sie waren im Schlafzimmer. Tilly und ich, wir haben uns aneinander gedrückt. Ich glaub, einer von denen hatte seine Hand schon an der Schranktür, da hat die Frau gesagt, sie wären doch nur alte Leute, die ihre Ruhe wollen. Warum sie das nicht verstehen könnten? Und dann hat sie noch zu ihnen gesagt, sie könnten ja glatt ihre Söhne sein – oder ihre Enkel.
    Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie muss sie das besänftigt haben. Sie sind abgezogen und haben gegen die nächste Tür gehämmert. Tilly und ich, wir konnten sie noch ’ne ganze Zeit hören, dann hat der Lärm nachgelassen, und endlich war’s wieder ruhig. Aber es hat bestimmt noch ’ne Viertelstunde gedauert, bis der Schrank aufgeschlossen wurde und wir raus konnten. Jetzt hatten wir endlich Gelegenheit, uns bei den alten Leuten zu bedanken. Dann wollten wir eigentlich gehen, aber das haben sie nicht zugelassen. Es ist viel zu gefährlich, haben sie gesagt, und außerdem könnte Tilly ja kaum laufen. So würden sie uns nicht weglassen, wir sollten lieber noch

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