Edelweißpiraten
ist vorbei, wir sind raus aus der Stadt und haben uns mal so richtig die Beine vertreten. Tom und ich haben erzählt, wie’s in dem Lager gewesen ist, und die anderen haben ihre Späße mit uns getrieben. Frettchen hat bei jeder Pfütze, an der wir vorbeikamen, »Fliegeralarm! Volle Deckung!« gebrüllt – so lange, bis wir’s satt hatten und ihn in einer davon versenkt haben.
»Hey, vor euch muss man sich ja richtig in Acht nehmen«, hat Flint gesagt, während sich Frettchen das Wasser aus den Klamotten schüttelte. »Seid die reinsten Kampfmaschinen geworden. Voll die Killertypen! Man erkennt euch gar nicht wieder.«
»Wenn du Killertypen suchst, fahr zur Burg Vogelsang und wend dich an die Ausbilder«, hat Tom erwidert. »Keine Angst, wir sind noch die Alten. Da braucht’s mehr als drei Wochen, um uns umzudrehen.«
Am Mittag haben wir Rast in irgend ’nem Feld gemacht. Die anderen haben erzählt, was in den letzten Wochen in Ehrenfeld los war, und dann sind wir drauf zu sprechen gekommen, welche Pläne wir für dieses Jahr haben.
»Ich weiß nur eins«, hat Flint gesagt. »Die Rumschleimerei im Betrieb, nur um uk zu bleiben, geht mir langsam, aber sicher auf die Nerven. Hab schon mit Kralle drüber gesprochen. Schätze, wir machen bald die Biege und tauchen unter. Wo wir bleiben können, haben wir uns schon überlegt. Ist aber noch nicht ganz spruchreif.«
Der Lange hat gefragt, ob da, wohin sie sich verkriechen wollen, für ihn auch ’n Plätzchen frei ist. Er wird nämlich bald 18, und er hat das dumpfe Gefühl, dass die in seiner Fabrik ihn auf der schwarzen Liste haben und für die Wehrmacht freistellen wollen.
»Klar«, hat Flint gesagt. »Die Bude, die wir im Auge haben, ist zwar nicht für Riesen wie dich gemacht, aber irgendwie falten wir dich schon rein. Gilt übrigens für alle. Egal, was passiert und wohin’s Kralle und mich verschlägt: Die EP von Ehrenfeld bleiben zusammen. Darauf könnt ihr euch verlassen!«
»Ich stell mir manchmal vor, wie’s wär, von hier wegzugehen«, hat Maja gesagt. »Einfach nur weg von hier, wisst ihr.«
»Ja, zum Felsensee zum Beispiel«, hat Frettchen vorgeschlagen. »Wir könnten in einer von den Höhlen leben und uns von Fledermäusen ernähren. So lang, bis der Krieg aus ist!«
»Ich mein nicht zum Felsensee. Ich mein ganz weg aus diesem Scheißland!«
»Also, Kralle und ich wüssten, wo wir hingehen«, hat Flint gesagt und Kralle den Arm um die Schulter gelegt. »Wir würden als Matrosen zur See fahren, stimmt’s, alter Ochse? Stell dir vor: Kap Hoorn, Shanghai, Frisco, Rio de Janeiro! In jedem Hafen hätten wir ’n Mädchen, das auf uns wartet. Die wären wie der Teufel hinter uns her, weil wir so tolle Burschen sind, und würden uns lieber heute als morgen heiraten. Aber: Nicht mit uns, Mann! Wenn der Morgen graut, schleichen wir uns aus ihrem warmen Nest wieder aufs Schiff – und schon geht’s zurück auf die tosende See. Ach, wär das ’n Leben, Leute!«
»Tilly und ich, wir würden nach Australien gehen«, hab ich gesagt.
»Wieso Australien?«
»Ja: Wieso Australien?«, hat Tilly gefragt. »Davon weiß ich ja noch gar nichts.«
»Musst du auch nicht, ich würd dich einfach in ’n Koffer packen und mitnehmen. Und warum Australien, ist ja wohl klar: Weil da kein Krieg ist. Ich meine, der ist inzwischen überall. Sogar auf ’m Meer. Nur in Australien nicht. Und außerdem sind da nicht so viele Leute. Deswegen können einem auch nicht so viele auf die Nerven fallen.«
Flocke hat Tom angesehen. »Und wir?«
»Wir gehen nach Kanada«, hat Tom gesagt. »Da ziehen wir in ’ne Blockhütte im Wald und werden Trapper.«
»Ja, und wir haben Hunde und Katzen und ’n ganzen Haufen von Kindern«, hat Flocke gesagt.
»Versteht sich von selbst. Und die Einzigen, zu denen wir Kontakt haben, ist ’n alter vergessener Indianerstamm in der Nähe. Und ihr alle natürlich. Weil ihr ab und zu vorbeikommt und uns besucht.«
»Ich würde als Minnesänger um die Welt ziehen«, hat Goethe gesagt. »Einmal ganz um den Globus. Und dann würde ich wieder von vorne anfangen. Und überall da, wo ich zum zweiten Mal hinkomme, würden die Leute meine Lieder vom ersten Mal noch kennen, weil sie sie als Kinder gehört haben.« Er hat Maja angesehen. »Dich nehm ich mit. Du musst mich auf der Gitarre begleiten.«
Wir haben noch lange dagesessen und rumgesponnen. Immer hatte jemand noch ’ne bessere Idee, wo wir hingehen und was wir anstellen könnten. Jeder hat
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