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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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seine eigenen Vorstellungen gehabt. Nur in einem sind wir uns einig gewesen: An diesem verdammten Krieg wird keiner von uns teilnehmen – niemals.
    Koste es, was es wolle.

 
    An einem der ersten Tage des neuen Jahres ging ich zum Wohnheim, um wie üblich den alten Gerlach zu besuchen. Der Pförtner kannte mich inzwischen und ließ mich normalerweise wortlos passieren, aber an jenem Tag war es anders. Er rief mich zu sich.
    »Du kannst heute nicht zu Herrn Gerlach«, sagte er.
    »Wieso nicht?«
    »Er ist vor drei Tagen ins Krankenhaus gekommen. Genau auf Neujahr.«
    »Ins Krankenhaus! Aber es ist doch nichts Schlimmes?«
    »Das fragst du ihn am besten selbst. Ich will dir nichts Falsches sagen.«
    Ich erkundigte mich, in welchem Krankenhaus er lag, und fuhr dorthin. Auf dem Weg gingen mir tausend Sachen durch den Kopf. Natürlich hatte ich gemerkt, dass es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Bei meinem letzten Besuch hatte er nach einem Hustenanfall Blut gespuckt. Aber wie schlimm es wirklich war, davon hatte ich keine Ahnung.
    Als ich in sein Zimmer kam, lag er im Bett und starrte an die Decke. Außer ihm waren noch zwei andere Männer dort, es war ein Dreibettzimmer. Er hing an mehreren Schläuchen, fast wie eine Figur im Puppentheater an ihren Fäden. Ich musste schlucken, als ich es sah. Nur die Tatsache, dass er das Bett direkt am Fenster hatte, ließ alles in einem etwas freundlicheren Licht erscheinen.
    Als er mich entdeckte, freute er sich, aber zugleich schien es ihm peinlich zu sein, dass ich ihn in diesem Zustand sah. Ich setzte mich an sein Bett und fragte, wie es ihm ging.
    »Ach, es ist völlig überflüssig, dass sie mich ins Krankenhaus gesteckt haben«, sagte er und winkte ab. »Diese Ärzte müssen immer übertreiben. Ich hätte genauso gut zu Hause bleiben können. Da wäre ich auch nicht kränker als hier.«
    »Aber – was für eine Krankheit ist es?«
    »Oh, es ist nur die Kälte, das ist in jedem Winter das Gleiche. Vor allem im Januar, da ist es am schlimmsten. Es zieht mir in die Glieder und in die Lunge, weißt du. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Im Frühjahr sieht alles anders aus, da erkennst du mich nicht wieder.«
    Er sagte es so leicht daher, dass meine Befürchtungen mit einem Schlag verschwanden. Von da an erwähnten wir seine Krankheit nicht mehr. Wir sprachen über sein Tagebuch und all die Dinge, die damit zusammenhingen, und bald war es, als wären wir wieder in seiner Wohnung und als existierten die Schläuche und die seltsamen Apparate gar nicht, die um ihn herumstanden.
    »Tust du mir einen Gefallen?«, fragte er schließlich, als ich schon aufstand und gehen wollte.
    »Natürlich. Was immer Sie wollen.«
    »Kümmere dich bitte um meine Vögel. Sie brauchen Futter und frisches Wasser. Und du musst sie ab und zu fliegen lassen, damit sie nicht einrosten. Willst du das für mich tun?«
    Ich versprach es und verabschiedete mich von ihm. In den nächsten Tagen besuchte ich immer abwechselnd seine Vögel und ihn selbst. Die Besuche wurden zu einer solchenSelbstverständlichkeit, dass ich gar nicht mehr darüber nachdachte. Eine erstaunliche Vertrautheit hatte sich zwischen uns entwickelt.
    Einige Tage später, als ich wieder bei ihm im Krankenhaus war, geschah etwas Merkwürdiges. Es begann damit, dass eine Krankenschwester ihn zu einer Untersuchung abholte. Da sie höchstens eine Viertelstunde dauern sollte, beschloss ich, zu bleiben und auf seine Rückkehr zu warten. Kurz nachdem er gegangen war, klingelte plötzlich das Telefon an seinem Bett. Ich achtete erst nicht darauf, aber dann kam mir der Gedanke, dass es etwas Wichtiges sein könnte, also nahm ich ab und meldete mich.
    Am anderen Ende der Leitung war ein heftiges Atmen zu hören, aber niemand sagte etwas.
    »Hallo!«, wiederholte ich. »Wer ist da?«
    Das Atmen hörte auf. Für einige Sekunden war es still, dann kam ein seltsamer Laut, wie ein unterdrückter Seufzer, durch den Hörer. Gleich darauf ertönte das Freizeichen. Wer immer der Anrufer gewesen war, er hatte aufgelegt.
    Ich zuckte mit den Schultern und ging zum Fenster. Das Atmen klang mir noch in den Ohren. Und dann plötzlich musste ich an die Gestalt denken. Die Gestalt, die im Garten des Wohnheims gestanden hatte.

21. Juli 1944
    In den letzten Wochen waren wir hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Erst mussten wir Pfingsten auf unsere Fahrt zum Felsensee verzichten, was uns verdammt schwergefallen ist. Aber es gibt kaum

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