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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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hingezogen. Wo es ist, haben wir keinem erzählt, nicht mal unseren Müttern. Die sind nicht grade begeistert davon, was wir tun, meine zumindest. Aber ich hab ihr erklärt, dass es das Beste ist und dass ich mich um sie kümmere, so gut ich kann. Da hat sie mich gehen lassen.
    Letzte Nacht haben wir das Häuschen eingeweiht: Flint und Kralle, Frettchen und der Lange, Tom und Flocke, Tilly und ich.
Goethe war nicht dabei. Das im EL-DE-Haus hat ihm ’n ganz schönen Knacks versetzt, auch wenn er nur zwei Tage da war. Er ist ans Verprügeltwerden nicht gewöhnt und kann’s schlecht verpacken. Aber ich glaub, auf Dauer kriegt er Sehnsucht nach uns. Irgendwann kommt er nach, da bin ich mir sicher.
    Inzwischen haben wir uns eingerichtet, und jetzt müssen wir sehen, dass wir über die Runden kommen. Was nicht so einfach ist – ohne Lohn und Bezugsscheine und so. Aber wir haben ja Flint und Kralle. Die kennen sich aus, wenn’s darum geht, Sachen zu beschaffen. Die werden uns schon zeigen, wo’s ab jetzt langgeht für uns.
    Und außerdem: Der Krieg geht zu Ende, das sieht ’n Blinder mit Krückstock. Vielleicht müssen wir nur noch ein paar Wochen überstehen. Vielleicht ist das Elend eher vorbei, als wir denken.

20. September 1944
    Die Alliierten kommen jeden Tag näher. Als wir im EL-DE-Haus waren, haben sie Paris erobert. Dann waren Brüssel und Antwerpen an der Reihe und ’ne Menge andere Städte, von denen wir nie gehört haben. Die Wehrmacht kann sie nicht mehr aufhalten. Die zögern nur noch das Ende raus.
    Wir haben überlegt, ob wir mit unseren Aktionen wieder anfangen sollen. Aber die Erinnerung ans EL-DE-Haus ist noch zu frisch, wir halten uns lieber ’ne Zeit lang ruhig. Außerdem haben wir genug damit zu tun, uns durchzuschlagen, da können wir keinen zusätzlichen Ärger brauchen.
    Gefahren gibt’s auch so genug, das haben Tom und ich gestern am eigenen Leib gespürt. Wir waren mit Flint und Kralle unterwegs, um auf dem Schwarzmarkt ’n paar Lebensmittel zu organisieren.
Die Ausbeute war ganz ordentlich, wir hatten Butter und Käse und Eier und noch andere Sachen. Wir haben’s aufgeteilt, dann sind Tom und ich mit unserem Anteil los, um’s in die Klarastraße zu bringen.
    Wir waren vorsichtig, aber wir sind trotzdem ’ner Polizeistreife in die Arme gelaufen. Zum Glück sind sie nicht auf die Idee gekommen, unsere Rucksäcke zu kontrollieren, denn wenn sie die Sachen gefunden hätten, wär’s verdammt ungemütlich für uns geworden. Wir sollten uns nur ausweisen. Das war nicht weiter schlimm, wir hatten gefälschte HJ-Ausweise dabei, die haben wir vorgezeigt.
    »Warum seid ihr nicht am Westwall?«, hat einer von ihnen gefragt.
    »Wieso?«, hat Tom gesagt. »Was sollen wir da?«
    »Jetzt stellt euch bloß nicht dämlicher, als ihr sowieso schon seid, ihr Schlaumeier. Habt gedacht, ihr könnt euch drücken, was? Los, Marsch! Ihr kommt mit zum Bahnhof.«
    Sie haben uns zum Bahnhof gebracht und in ’n Zug gesetzt, in dem schon ein paar hundert HJler saßen. Wir wollten uns eigentlich wieder verdrücken, aber bevor wir dazu kamen, ist der Zug schon abgefahren. Da haben wir erst gehört, was die ganze Sache soll. Dass sie den Westwall ausbauen, um die Alliierten aufzuhalten, wussten wir. Aber nicht, dass dafür alle Jungs in unserem Alter zwangsverpflichtet werden – und alle Lehrer gleich mit, nachdem die Schulen dicht gemacht haben.
    Wir sind ungefähr ’ne Stunde gefahren und anschließend noch ein paar Kilometer gelaufen, dann waren wir da. Irgendwo auf dem platten Land, in der Nähe von Aachen. Als wir ankamen, haben wir unseren Augen nicht getraut. So weit wir sehen konnten, waren Tausende von Jungen wie die Maulwürfe am Schaufeln. Panzergräben mussten sie ausheben und Unterstände bauen, manche standen bis zu den Knien im Schlamm.
    Einer von der HJ hat ’ne Rede gehalten und uns eingewiesen. Wir sollten bloß nicht auf die Idee kommen abzuhauen, hat er gesagt. Sie würden uns nämlich kriegen, und dann würden wir uns wünschen, nicht geboren zu sein. Danach haben sie Hacken und Schaufeln verteilt. Also blieb uns nichts anderes übrig als mitzumachen. Allerdings haben wir uns nicht grade ’n Bein dabei ausgerissen. Meistens hat Tom ’n bisschen Erde zu mir geschaufelt und ich wieder zu ihm, das war alles. Alle paar Minuten ist einer gekommen und wir haben ’n saftigen Anschiss gekriegt, aber seit der Sache im EL-DE-Haus beeindruckt uns so was nicht mehr.
    Irgendwann hab ich gemerkt,

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