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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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hat sofort in Flammen gestanden. Goethe und seine Eltern haben sich nach draußen gerettet, alle haben versucht zu löschen. Aber dann ist Goethe auf einmal wieder ins Haus zurück – keiner weiß, wieso. Kurz darauf ist alles eingestürzt. Erst heute haben sie ihn unter den Trümmern gefunden, aber da war längst alles zu spät.
    Wir waren total schockiert. Erst wollten wir’s nicht glauben, aber so, wie’s die Leute erzählt haben, gab’s keinen Zweifel. Wie geprügelte Hunde sind wir zu den anderen zurückgeschlichen und haben ihnen die Nachricht gebracht. Alle waren wie vor den Kopf geschlagen, für ’ne ganze Zeit haben wir nur stumm dagehockt.
    »Warum hat er das bloß gemacht?«, hat Flocke irgendwann gesagt, sie hatte Tränen in den Augen. »Warum ist er wieder ins Haus? Was hat er da gewollt?«
    »Wahrscheinlich wollte er was holen«, hat Tom gemeint. »Hatte bestimmt mit seiner Musik zu tun. Was anderes wär ihm nicht so wichtig gewesen.«
    »Wisst ihr noch, was er gesagt hat, als er gegangen ist?«, hat Tilly gefragt. »
Ich bring euch ’n paar Lieder mit.
Vielleicht ist er deshalb wieder ins Haus. Weil er die holen wollte.«
    Das hat uns ’n richtigen Schlag versetzt. Wir waren alle überzeugt davon, dass sie recht hat. Nur so macht das Ganze Sinn. Aber der Gedanke, dass er deswegen gestorben ist, war unerträglich. Flint und Kralle sind nach draußen verschwunden, gleich darauf ist es laut geworden. Sie haben irgendwas zerlegt, was ihnen vor die Füße kam, mussten sich abreagieren.
    Wir anderen sind drinnen geblieben und haben über Goethe geredet. Er war der Beste von uns, da sind sich alle einig. In seinem ganzen Leben hat er nicht mal ’ner Fliege was zuleide getan. Und obwohl er viel mehr gewusst und gekonnt hat als wir, hat er’s uns nie spüren lassen. Nicht ein einziges Mal. Dass es jetzt ausgerechnet ihn erwischt, ist so ungerecht, dass wir’s gar nicht fassen können.
    Irgendwann sind Flint und Kralle wieder reingekommen. Flint hat so ’n finsteren Blick gehabt, wie ich’s selbst bei ihm noch nie gesehen hab. »Jetzt reicht’s«, hat er gemurmelt. »Das lassen wir nicht mit uns machen. Dafür werden sie büßen. Das schwör ich euch.«

17. Januar 1945
    Nach Goethes Tod waren wir für ein paar Tage wie gelähmt, aber dann haben wir uns aufgerafft. Irgendwie musste es ja weitergehen, wir konnten uns nicht einfach hängen lassen. Also haben wir uns mit Rupp und Korittke getroffen und unsere Raubzüge wieder aufgenommen. Dabei sind wir immer dreister geworden. Mit der Zeit haben wir so ’n richtiges Scheißegal-Gefühl bekommen, vor allem Flint und Kralle.
    Vor ungefähr ’ner Woche hätte es uns fast erwischt. Wir waren am Güterbahnhof, schon zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen. Wie üblich haben wir den Fliegeralarm abgewartet und
sind dann zu dem Zug geschlichen, den die beiden Gauner ausgekundschaftet hatten. Aber als wir da waren, sind plötzlich die Türen aufgesprungen, und ein Trupp von Bahnpolizisten kam raus, die uns aufgelauert hatten.
    Wir sind sofort in alle Richtungen über die Gleise abgehauen. Sie haben hinter uns hergeschossen, wir mussten einen Haken nach dem anderen schlagen, damit sie uns nicht treffen. Der Einzige, der was abgekriegt hat, war der Lange. Aber es war harmlos, nur ein Streifschuss an der Schulter. Tilly und Flocke haben die Wunde verbunden, als wir wieder im Schrebergarten waren. Wir hatten wirklich verdammtes Glück.
    Am Tag danach war Flint für ’ne Weile verschwunden, ohne dass wir wussten, wo er sich rumtreibt. Als er zurück war, hat er uns zusammengetrommelt. Er hat gewartet, bis alle da sind, dann hat er was aus der Tasche gezogen und auf den Tisch gelegt. Es war ’ne Pistole. Eine von der Wehrmacht.
    Wir haben erst nur dagesessen und abwechselnd Flint und dann wieder die Waffe angestarrt. Ganz ruhig ist es gewesen. Ich hatte ’n übles Gefühl, als ich sie gesehen hab. Den anderen ging’s genauso, das konnte man sehen.
    »Mensch, Flint!«, hat der Lange schließlich gesagt. »Was willst du mit dem Ding?«
    »Na, was schon? Denkst du, ich seh zu, wie einer nach dem anderen von uns ins Gras beißt? Goethe und Gerles Bruder hat’s schon erwischt, gestern warst du fast dran, und von Maja haben wir auch nie wieder was gehört. Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir’s denen mit gleicher Münze heimzahlen.«
    Kralle hat genickt, er war anscheinend der gleichen Meinung. Aber die anderen waren weniger begeistert, vor allem Flocke.

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