Eden
einsam. War es in ganz Westchester County wie hier?
»Wann hast du zum letzten Mal ausgeschlafen?«, erkundigte sich Buddy.
»Ach, ist schon’ne Weile her.«
»Pass auf, wir machen es so: Wir schlafen abwechselnd. Leg du dich zuerst hin, siehst aus, als hättest du es verdammt nötig. Ich wecke dich in ein paar Stunden. Dann hältst du die Augen und Ohren offen, während ich mich ausruhe.«
»Klingt gut. Aber warum schläfst du nicht zuerst?«
»Nee, mir geht’s gut. Ich will eh noch ein bisschen nachdenken. Und so wie du aussiehst, hast du ein Nickerchen verdient.«
Harris stand auf, nahm Taschenlampe und Waffe, und beschloss, sich im großen Schlafzimmer hinzulegen.
»He, Buddy.« Er hielt auf dem Weg noch einmal an. »Danke.«
»Gern geschehen.«
Buddy hörte zu, wie Harris ins Schlafzimmer ging und sich hinlegte. Eine Weile saß er im Dunkeln und lauschte den Geräuschen des Apartmenthauses.
Nach einer Weile zog er einen Stuhl hinüber ans Fenster. Der Mond stand noch dick und rund am Himmel. Buddy hatte einen guten Blick durch die Schlitze der senkrechten Jalousien auf die Straße. In der Ferne glühte der Widerschein eines Großbrands. Vielleicht brannten dort ein, zwei komplette Häuserblocks, Teufel, möglicherweise sogar ein ganzes Viertel. Wie fing so ein Feuer an? Brandstiftung? Brannte das Militär die Häuser nieder? Ein paar Stunden bevor er auf Harris traf, hatte er einen Panzer gesehen, der mit Flammenwerfer im Geschützturm eine Reihe von Läden abgefackelt hatte, in denen die Toten auf die Lebenden losgingen. Dabei hatte man sich einen Dreck darum geschert, dass auch die Lebenden mit verbrannten.
Er beobachtete die Straße und lauschte. Von weitem hörte er gelegentliche Schüsse. Zwischen den einzelnen Salven lagen mehrere Minuten. Einmal rollte eine Querstraße weiter ein militärisches Kettenfahrzeug vorbei.
Eine Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit. Auf der anderen Straßenseite tauchte eine Gestalt aus einer Gasse auf. Vorgebeugt, mit langsamen Bewegungen. Sie blickte sich misstrauisch um. Eine zweite Gestalt folgte ihr, dann eine dritte. Alles in allem huschten zehn Personen wie nasse Ratten auf der Suche nach einem Unterschlupf vor dem Regen den Block entlang.
Buddy überlegte, ob er hinunterrufen sollte, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Was er sagen konnte. Also schwieg er und schaute ihnen nur nach, bis sie um eine Ecke verschwanden.
Er fragte sich, wohin sie unterwegs waren. Vermutlich an denselben Ort wie alle anderen.
43
»Wenn du schreist, töte ich dich gleich hier.«
»Harris, was, zum …«
»Halt’s Maul.«
Die Pistole bohrte sich in Thompsons Hals.
»Harris, ich …«
»Du sollst das Maul halten , hab ich gesagt!«
Thompson hatte keine Ahnung, was los war, aber er hatte Angst, denn Harris machte keine Scherze. Er hatte ihn noch nie in so einem Zustand erlebt. Als sie in den Keller unter Harris’ und Julies Haus hinabgestiegen waren, hatten bei Thompson sämtliche Alarmglocken geschrillt. Aber statt sofort darauf zu reagieren, hatte er sie ignoriert, hatte an seiner schier überwältigender Ahnung gezweifelt. Hatte sich gesagt, er müsse keine Angst vor Harris haben. Warum sollte der ihm Übles wollen?
Er dachte, er sei gekommen, um Harris bei Umräumarbeiten zu helfen. Bei Dingen, bei denen Julie ihm nicht helfen konnte, entweder, weil sie zu schwer waren, oder weil sie noch immer unter Angstzuständen wegen des Angriffs am Morgen litt, vielleicht gar nicht mehr zurück ins Haus wollte. Er hätte sich selbst einen Tritt für seine Blauäugigkeit geben können. Er hatte ernsthaft geglaubt, Harris hätte ihn um Hilfe gebeten, um ihm zu zeigen, dass zwischen ihnen alles wieder okay war, nach jenem Abend vor einigen Wochen. Dass sie möglicherweise wieder Freunde werden konnten.
Aber in diesem Keller gab es nichts, was man hätte umräumen müssen. Eine einzelne Glühbirne hing unverkleidet von der Decke und beleuchtete einen bis auf zwei in den Boden einbetonierte Stangen und mehrere darumherum verstreute Ketten absolut leeren Raum.
»Weißt du, wozu Markowski diese Stangen benutzt hat, Thompson? Natürlich weißt du das. Er hat Zombies daran festgekettet, hat auf sie geschossen, hat sie in Stücke geschnitten. Wahrscheinlich hat er noch ganz andere Sachen mit ihnen getrieben. Du hast ihm dabei geholfen, oder?«
Thompson antwortete nicht. Schließlich hatte Harris ihm verboten, etwas zu sagen. Er konzentrierte sich ganz auf den Druck des
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