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Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Mochinski
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würden ihn sehr wohl erschießen, zumindest, soweit sie den Nerv dazu hatten. Bobby Evers spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. In ihm schwelte bereits ein Verdacht.
    Harris fragte sich, ob er zulassen würde, dass sie ihn töteten, wenn es so weit war. Ob er es fertigbringen würde. Falls er raus auf die Straße ging, den Verband abnahm und ihnen sagte, was geschehen war, würde er sie anlegen und ihn abknallen lassen? Oder würde er die Pistolen ziehen und wider alle Vernunft so viele wie möglich von ihnen mit ins Jenseits nehmen?
    Er spürte bereits eine leichte Übelkeit, aber noch war sie zu beherrschen. Es war mehr ein allgemeines Unwohlsein. Das Bewusstsein, sich anders zu fühlen, als es hätte sein sollen; anders, als er es gewohnt war.
    Andererseits war es vielleicht gar nicht ungewöhnlich. Harris litt schon sein ganzes Erwachsenenleben unter leichten Depressionen. Zumindest war er davon überzeugt, unter ihnen zu leiden. Er konnte es an nichts Konkretem festmachen. Meist bemerkte er es sonntags, ein gewisses Grauen vor der kommenden Woche. Dabei mochte Harris seine Arbeit. Vor allem den Unterricht, aber auch die Verwaltungstätigkeiten. Es war also keineswegs so, dass er ungern wieder an die Arbeit ging.
    Es half, sich zu beschäftigen. Wenn er die Stunden füllte und sich keine längere Freizeit gestattete, konnte er die Schwermut vermeiden. Dafür hatte Raquel ihn bewundert, für seine Fähigkeit, sich die Zeit einzuteilen, ständig vier oder fünf Dinge gleichzeitig in Arbeit zu haben, und sich einer neuen Aufgabe zu widmen, sobald er eine abgeschlossen hatte.
    Thompson , dachte er, und betastete das Feuerzeug in seiner Tasche.
    So sind wir Menschen. Man sollte meinen, wenn die Welt um uns herum zur Hölle fährt, würden wir zusammenarbeiten. Manche taten es. Er dachte an Dom, an den alten Mann im Boot, an William Richardson, an die Guten. Was war aus ihnen geworden? Soweit er das sagen konnte, soweit es irgendjemand sagen konnte, hatte sich hier in Eden der klägliche Rest der Menschheit versammelt, und ein Teil davon versuchte, die anderen über den Tisch zu ziehen.
    Worum es Thompson gegangen war, konnte Harris sich leicht ausrechnen. Allerdings hatte Thompson Zombies in Harris’ Haus gelassen, obwohl er wusste, dass Julie auch dort war, und das ergab keinen rechten Sinn. Andererseits, je länger er darüber nachdachte, ergab es möglicherweise doch einen Sinn, einen überdeutlichen Sinn sogar.
    Er spielte mit dem Gedanken, Evers zu fragen. Bobby war ein ganz vernünftiger Bursche. Er würde Harris zuhören, und natürlich würde der ihm nicht alles sagen, ganz sicher nichts von dem Biss, und auch nichts von seinem Plan, Thompson umzubringen. Vielleicht später.
    Harris verließ das Badehaus. In den Häusern gab es schon eine ganze Weile kein fließendes Wasser mehr, also hatten sie ein Gemeinschaftsbad gebaut. Toiletten mit Sickergrube und Duschen, die mit heißem Regenwasser funktionierten. Jeder leistete seinen Beitrag entsprechend einem festen Arbeitsplan für alle Tätigkeiten außer denen, die eine bestimmte Ausbildung voraussetzten. Phil Caputo zum Beispiel war ihr Elektriker, und um zu verhindern, dass seine Fähigkeiten verlorengingen, falls er starb, wurden er und die anderen Fachleute ermuntert und ermahnt, ihr Wissen an andere weiterzugeben.
    Harris hatte letzte Woche Badehausdienst gehabt, hatte die Toiletten gesäubert, das Gas aus den Sickergruben abgefackelt, die Duschen geputzt. Badehausdienst musste sein, aber das war ein Aspekt des Lebens in Eden, dem er nicht nachtrauern würde.
    »Harris.« Ein paar Leute grüßten, als er die Straße entlangging. Lächeln. Ryan hob den Daumen.
    Er nickte zurück, zwang sich zu lächeln. Zeigte ihnen, dass alles in Ordnung war. Die beiden Pistolen trug er unter den Achseln. In Eden war jeder bewaffnet. Niemand nahm Notiz davon. So ähnlich stellte er sich den Wilden Westen vor, nur ohne Zombies.
    Ein Stück die Straße hinauf fegte Thompson vor seinem Haus. Harris achtete darauf, den Blickkontakt nicht zu vermeiden, auch wenn er ihn nicht bewusst suchte, und als er aufgebaut war, brach er ihn schnell wieder ab, um sich nicht zu verraten. Er wollte Thompson keine Botschaft senden: Ich weiß, dass du es warst, und dafür werde ich dich töten.
    »Harris!« Julie umarmte ihren Mann.
    Er drückte sie, drückte sie fest, solange er das noch konnte.
    Sie hatte geduscht, nachdem sie die letzten Kadaver ans andere Ende der Straße zum

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