Eden
dass der übergewichtige Anführer Edens dazu neigte, Dinge zu wiederholen, die man zwei, drei Sätze vorher gesagt hatte. Vermutlich, weil er den Eindruck erwecken wollte, ein tiefgründiger Denker zu sein. Oder er war einfach ausgesprochen langsam.
Buddy und er waren inzwischen seit mehreren Tagen in Eden, und eine Auseinandersetzung wurde immer wahrscheinlicher. Graham und seine Schläger, angeführt von Markowski, beherrschten das Lager. Die Bewohner Edens gehorchten ihm, weil er sie vor den Untoten beschützte, und weil sie Angst vor dem großen Polen hatten.
Harris gewann langsam den Eindruck, dass Graham ihn anwerben wollte. Der Versuch amüsierte ihn, denn er konnte den Minidiktator und dessen Methoden nicht ausstehen. Wäre Harris an Grahams Stelle gewesen, hätte er versucht, sich bei Buddy einzuschmeicheln, schon weil Harris Buddy als den weitaus gefährlicheren Gegner sah und damit auch als den sehr viel kostbareren Verbündeten.
Graham jedoch hielt Buddy, so gut es ging, auf Distanz. Harris vermutete rassistische Gründe. Bei Markowski war das offensichtlich. Er ließ sich oft und offen über ›Bimbos‹ und ›Nigger‹ aus. Der Pole war über eins neunzig, aber das würde ihn nicht vor der saftigen Abreibung bewahren, die Buddy ihm irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft verpassen würde. Falls er Glück hatte.
»Hippie-Müll.« Markowski spuckte buchstäblich aus, ohne dass Graham mit der Wimper zuckte. »Ein einziger Haufen Waschlappen mit ihrem scheiß Neil Young und ihrer Flower-Power.«
»Du musst Kowski entschuldigen, Harris. Er ist Skynyrd-Fan.«
In einem Punkt hatte Markowski Recht. Die etwa sechzig Leute, die in Jericho lebten, machten keinen allzu harten Eindruck. Nicht, dass Eden voller Marines gewesen wäre. Die Leute hier folgten Graham aus Angst. Graham erinnerte Harris an einen Schulhofschläger, der durch sein Verhalten nur zu überspielen versuchte, wie dreckig es ihm ging. Aber Markowski hatte eine sadistische Ader. Mit ihm war etwas Grundsätzliches nicht in Ordnung. Er war, wie Evers sagte, ein Irrer.
Andererseits fragte sich Harris, wie die Leute, die es hierher nach Eden oder nach Jericho geschafft hatten, so lange überleben konnten. Damit ihnen das gelang, mussten sie zäh sein. Er und Buddy hatten es durch harten Kampf geschafft und die Bereitschaft, in den Tod zu gehen, falls nötig, aber sie hatten immer versucht, jeden, dem sie draußen begegneten, fair zu behandeln, und niemanden reinzulegen. Graham hatte sich vermutlich mit Betrug und Hinterlist durchgeschlagen und Markowski mit brutaler Gewalt. Ohne Zweifel hatte er sich den Weg nach Eden freigeschossen und -geschlagen.
In Jericho konnte Harris sich weder Graham noch Markowski vorstellen. Die Leute dort rauchten ziemlich viel Shit, tanzten und wirkten Vergnügungen nicht abgeneigt. Aber sie hatten genug Mumm gehabt, um einen Elektrozaun um ihre Siedlung zu spannen und einen Lastzug voll Benzin für die Generatoren zu organisieren.
»Es gibt einen Grund, warum ich dich nach Jericho frage, Harris.« Graham beugte sich über den Tisch, als wollte er Harris ins Vertrauen ziehen.
»Weißt du, ich habe Jericho vor drei Wochen ein Angebot gemacht. Ich habe sie gefragt, was sie davon halten, sich uns hier in Eden anzuschließen, was wir uns aufgebaut haben, in eine Art Verbund umzuwandeln, eine Kooperative zum Vorteil aller Beteiligten.«
Zu deinem Vorteil, dem Markowskis und all derer, die für dich die Drecksarbeit erledigen , übersetzte Harris in Gedanken. Er achtete aber darauf, sich nichts davon anmerken zu lassen.
Graham hob den Zeigefinger, als wäre er im Begriff eine ewige Weisheit zu verkünden. »Und sie haben abgelehnt.«
» Waschlappen .« Markowski drückte mit dem Daumen ein Nasenloch zu und spritzte einen Rotzstrahl quer durchs Zimmer. Den Rest, der ihm noch aus der Nase hing, wischte er in einer verächtlichen Geste mit dem Handrücken ab.
»Sie wollen für sich bleiben, Harris, aber du hast selbst gesehen, wie die Lage da drüben ist. Sie rauchen Shit und benehmen sich wie im gottverdammten Zeitalter des Wassermanns, während sich rund um ihr putziges Wohnkommunenexperiment Abertausende Zombies versammeln. Ohne unsere Hilfe schaffen sie es nicht.«
»Von was genau reden wir hier?«, fragte Harris vorsichtig.
»Es ist wie mit einem Kind, Harris. Hast du Kinder?«
»Nein.«
»Ich schon«, erklärte Graham. »Das heißt, ich hatte welche. Wenn dein Kind über die Straße rennen will, dann wirst
Weitere Kostenlose Bücher