Eden
Nein, er konnte nicht glauben, dass das Zufall sein sollte. Der Herr hatte ihn auserkoren, Zeugnis von seiner Erlösung abzulegen.
Er stemmte immer größere Gewichte, und bald schon kannte die ganze Kraftdreikampfwelt Bear unter seinem Geburtsnamen. Im Wettkampf stemmte er im Kniedrücken 450 kg, schaffte mit Bankdrückhemd um die 400 im Bankdrücken und war auf dem besten Weg, als stärkster Mann der Welt anerkannt zu werden. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, jedem Interview, jedem Auftritt, dankte er Gott und erklärte, dass alle seine Leistungen sich aus Seiner Güte erklärten.
Dann kam der Ausbruch, und Bear war gezwungen, teilweise zu alten Gewohnheiten zurückzukehren, um zu überleben. Diesmal machte ihm das Töten Angst, weil es ihm immer noch so leicht fiel, aber es gestattete ihm, jene ersten Wochen zu überstehen und auch anderen das Leben zu retten. Anfangs fragte er sich, ob es falsch war, diese Kreaturen zu töten, die ihn und alle anderen fressen wollten. Aber Bear sagte sich, hätte Gott nicht gewollt, dass er das konnte, hätte er es nicht gekonnt. Seine Erfahrung im Umgang mit Gewalt ermöglichte ihm, sehr viele Menschen zu retten. Gott wollte, dass er es tat, genau wie Gott gewollt hatte, dass er im Bankdrücken fast eine halbe Tonne stemmte.
Aus irgendeinem Grund führte Gott ihn nach Eden. Als Bear eintraf, konnte er nicht fassen, dass dieser Ort ausgerechnet Eden hieß. Dabei war er keineswegs ein Fundamentalist. Er hielt die Bibel nicht für die buchstäbliche Wahrheit. Aber er war überzeugt, dass auch das mehr als nur ein Zufall war, vielmehr eine weitere der Fügungen in seinem Leben, die mit irdischen Dingen nicht zu erklären waren. Natürlich gab es hier auch Arschlöcher wie Graham und Markowski, aber Bear hoffte darauf, ihnen ein Beispiel sein zu können und sie auf den gerechten Weg zu führen. Und falls der Herr ihm irgendwann die Notwendigkeit dafür offenbarte, würde Bear keine Schwierigkeiten haben, die beiden vom Angesicht des Planeten zu entfernen.
Bear hatte also keine Angst, als er den Kanaldeckel hob und einen Blick auf die Straße warf. Aber er war auch nicht dumm. So dringend sie auch Vorräte brauchen, falls die Straße voller Untoter war, würden sie hier nicht aus der Kanalisation steigen. Der Herr würde ihn wissen lassen, wenn die Zeit gekommen war. Unnötige Risiken musste man tunlichst vermeiden.
Auf der Straße befanden sich mehrere Zombies, aber keiner von ihnen hatte ihn bemerkt. Bear blickte die Leiter hinunter zu Markowski, Harris und den anderen.
»Hier geht es.«
»Dann beweg deinen fetten Arsch«, knurrte Markowski. »Und denk daran, keinen Krach zu machen.«
Bear wollte glauben, dass es selbst für die Seele eines Drecksacks wie Markowski Hoffnung gab.
Er schob den Kanaldeckel zur Seite und zwängte sich durch die Öffnung an die Oberfläche. Das Stahlrohr, das er bei sich trug, schepperte leise auf dem Asphalt, als er sich zur Seite wälzte und aufstand. Ein paar der Untoten drehten sich um. Sie kamen auf ihn zu. Einer von ihnen rannte.
Der Läufer erreichte ihn zuerst. Sein halber Oberkörper war bekleidet, die andere Hälfte nicht. Der unbekleideten Hälfte fehlte auch die Haut. Rippen und Rückgrat waren deutlich zu sehen. Sein Zustand schien ihn aber keineswegs zu behindern.
»Hierher«, sagte Bear und zog den Sprinter auf sich, als er sich dem Kanalschacht näherte, aus dem Bobby Evers auf die Straße kletterte, während Markowski sich daneben gerade aufrichtete.
Bear trug schwere Lederhandschuhe, so ähnlich wie die, mit denen er die Harley gefahren hatte, nur dass bei diesen nicht die Finger fehlten. Die Zombies konnten das Leder nicht durchbeißen.
Der Renner erreichte den Ex-Biker und blieb so abrupt stehen, als wäre er gegen eine Mauer gerannt. Eine von Bears riesigen, behandschuhten Pranken schloss sich um seinen Hals. Der Hüne hielt den Zombie mit ausgestrecktem Arm auf Abstand und ignorierte die peitschenden Hände und schnappenden Zähne. Er betrachtete die Kreatur mitleidig, dann hieb er ihr das Stahlrohr über den Schädel. Ein Schlag genügte, ihn zu spalten.
Die übrigen Zombies, alles Schlurfer, hatten sie fast erreicht. Markowski, Bobby und Stephanie Evers, Al Gold, Davon, Harris und Buddy waren inzwischen alle auf der Straße. Zusätzlich zu den Pistolen in den Holstern, den Schrotflinten oder Sturmgewehren, die sie über der Schulter trugen, und den leeren Rucksäcken und Seesäcken waren sie mit einer bunten
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